Experimente an Tieren

Hochgradige Belastung der Affen bei Neurokognitionsexperimenten endlich richtig bewerten

Landestierschutzbeauftragte: Stern-TV zeigt bedrückende Realität bei Tierversuchen

Hochgradige Belastung der Affen bei Neurokognitionsexperimenten endlich richtig bewerten

Bund muss klare Vorgaben für Belastungseinschätzung machen

„Die Bilder von Affen aus neurologischen Versuchen, die RTL gestern ausgestrahlt hat, sind erschütternd und unterstreichen den dringenden gesellschaftlichen, fachlichen und rechtlichen Diskussionsbedarf bei diesem Thema“, fasste die Landesbeauftragte für Tierschutz, Dr. Cornelie Jäger, am Donnerstag (11.09.) in Stuttgart ihre Position zusammen. „Wir müssen auf mindestens zwei Ebenen diskutieren - zum einen, ob Experimente an Tieren, die solche Belastungen beinhalten, überhaupt noch genehmigungsfähig sind und zum anderen, ob man wirklich alle wissenschaftlichen Fragen, die man stellen kann, auch stellen darf.“ Bei der Frage der Genehmigungsfähigkeit solcher Experimente gebe das bundesweit geltende Tierschutzgesetz den Rahmen vor, erläutert die Landesbeauftragte. Der wissenschaftliche Nutzen müsse größer sein als die Belastungen der Tiere; dann allerdings habe die Genehmigungsbehörde ihre Zustimmung zu einem beantragten Tierversuch zu erteilen. „Fraglich ist, ob die Belastung der Tiere derzeit überhaupt richtig erfasst wird“, meldete Jäger Zweifel an der derzeitigen Genehmigungspraxis an. „Die Urteile und Bewertungen der Bremer Verwaltungsgerichte zu ganz ähnlichen Experimenten an Rhesusaffen, halte ich persönlich für falsch, aber sie beeinflussen die Behörden zwangsläufig stark.“ Die Bremer Richter hatten die Belastung der Tiere in ähnlichen Versuchen als höchstens mäßig und den wissenschaftlichen Nutzen als hervorragend eingestuft, erklärte Jäger.

„Wir benötigen endlich eine vollständig transparente Einschätzung aller Belastungen bei den Tieren, damit die vorgeschriebene ethische Abwägung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens überhaupt richtig stattfinden kann“, forderte Jäger. Bisher werde die Belastung allenfalls grob abgeschätzt und Erfahrungen aus früheren Projekten würden nur teilweise berücksichtigt. Jäger erhofft sich deshalb von einer neuen rechtlichen Regelung, der so genannten retrospektiven Evaluierung, die für alle Tierversuche mit Primaten künftig durchgeführt werden muss, neue aufschlussreiche Erkenntnisse und am Ende eine andere, zutreffendere Bewertung dessen, was den Tieren abverlangt wird. „Das könnte in letzter Konsequenz dazu führen, dass bestimmte Projekte nicht mehr genehmigt werden müssen.“ Noch hilfreicher wäre es allerdings, so Jäger, wenn der Gesetzgeber auf Bundesebene endlich klare Vorgaben für eine umfassende Belastungseinschätzung bei allen Versuchstieren machen und den Behörden mehr Spielraum bei der Einschätzung des Nutzens einräumen würde. „Außerdem muss noch einmal über eine absolute Belastungsobergrenze für die Tiere diskutiert werden, was aber durch die Bundesregierung erfolgen muss.“

Jäger mahnte zudem an, dass es außerhalb des formalen Genehmigungsverfahrens, also unabhängig von den bundesweiten rechtlichen Vorgaben, dringend einer breiteren gesellschaftlichen Debatte darüber bedarf, welche Fragen überhaupt wissenschaftlich relevant sind. „Muss man wirklich alle Fragen, die man stellen kann, auch tatsächlich bearbeiten? Gibt es nicht irgendwo eine Grenze für die menschliche Neugier, obwohl das Grundgesetz große Freiräume für die Wissenschaft einräumt?“ Die von RTL veröffentlichten Aufnahmen empfinde sie als erneute große Aufforderung, um über beide Fragestellungen intensiver und ehrlicher zu diskutieren.

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