Schnelles Internet

Umstrittene Vectoring-Technologie: Minister Bonde wendet sich an EU-Kommission

Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Deutsche Telekom in Deutschland grünes Licht für den Ausbau der Vectoring-Technologie bekommen. Die Bundesnetzagentur legt ihren Entscheidungsentwurf zum Vectoring-Ausbau im Nahbereich um Hauptverteiler durch die Telekom nun der EU-Kommission zur Genehmigung vor.

„Mit viel Geld sollen alte Kupferleitungen noch einmal aufgerüstet werden, statt auf zukunftsorientierte Glasfasernetze zu setzen. Investitionen in eine Brückentechnologie sind herausgeworfenes Geld. Kupfer verhindert Glasfaser – diese Entscheidung schadet damit letztlich auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Der Bundesrechnungshof, die unabhängige Bundesmonopolkommission sowie der Beirat für Raumordnung beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur teilen diese Befürchtung. Brüssel hat nun das letzte Wort. Ich habe mich daher mit einem Schreiben an die EU-Kommission gewandt“, sagte der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Alexander Bonde, am Samstag (9. April) in Stuttgart.

„Durch Vectoring will die Telekom veraltete Kupferleitungen noch einmal aufrüsten, obwohl sich diese Technologie schon bald überholt haben wird. Dies birgt sowohl die Gefahr einer digitalen Spaltung sowie einer Remonopolisierung des Netzes. Und gerade für den Ländlichen Raum, wo die Landesregierung den Ausbau des schnellen Internet mit der Breitband-Offensive 4.0 mit Hochdruck fördert, ist Vectoring kein geeignetes Mittel. Was Baden-Württemberg und der Ländliche Raum brauchen, sind zukunftsfähige Technologien – deshalb konzentrieren wir unsere Förderung auf die Glasfaser“, sagte Bonde.

Der Minister betonte, dass eine auf Vectoring beruhende Ausbaustrategie möglicherweise kurzfristig den aktuellen Breitbandbedarf befriedigen könne, aber die Gefahr berge, dass mit öffentlichen Subventionen ein Infrastrukturmonopol geschaffen werde. „Bei steigendem Breitbandbedarf benötigt die Vectoring-Technologie weitere Subventionen – ohne dabei einen funktionierenden Markt zu garantieren. So hat die schnelle Glasfaser das Nachsehen – ebenso wie die Bürgerinnen und Bürger, die weniger Angebote zur Auswahl haben“, sagte Bonde.

Der Minister wies darauf hin, dass die Strategie der baden-württembergischen Landesregierung auf kommunale passive Infrastrukturen ausgelegt sei. Dies komme nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch den Kommunikations-Unternehmen zugute. Nach dem Aufbau von kommunalen Glasfasernetzen werden diese allen interessierten Betreibern zur Nutzung zu gleichen Konditionen angeboten.

Hintergrundinformationen:

Vectoring-Technik
Mit der Vectoring-Technik kann über die bestehenden Kupferleitungen, die früher alleine zum Telefonieren verwendet wurden, beim Herunterladen abhängig von der Entfernung bis zu 100 Mbit/s erreicht werden. Die Telekom verpflichtet sich gemäß ihres Antrags, bis Ende 2018 Nahbereiche mit dieser Technologie zu erschließen. Die Vectoring-Technik bedingt aber, dass der Telekom Exklusivrechte am Hauptverteiler eingeräumt werden müssen.

Die Reichweite von Vectoring liegt bei ungefähr 500 Metern reale Kabellänge. Die physikalisch begrenzte Leistungsfähigkeit des Kupferkabels bewirkt in einem Flächenland wie Baden-Württemberg, dass mit dem Einsatz von Vectoring für einen immer kleiner werdenden Teil der Haushalte einer Gemeinde die Versorgung zwar besser wird. Jedoch ist dort, wo die Länge des Kabels bisher schon keine ausreichende Versorgung bewirkte, keine Verbesserung zu erreichen So entsteht eine digitale Spaltung, da nicht alle Bürgerinnen und Bürger über leistungsfähiges Internet verfügen.

Insbesondere in den topographisch schwierigen Lagen wie im Schwarzwald befinden sich hinter einem Kabelverzweiger in rund 20 Prozent aller Gebäude mehrere Kilometer lange Kupferkabel bis zu den Endkundinnen und Endkunden. Dies zeigt, dass sich mit der Kupfertechnologie eine flächendeckende und somit eine alle Haushalte umfassende Breitbandversorgung nicht erreichen lässt. Eine Verbesserung der Breitbandversorgung dieser Gebäude wird nur mittels Glasfaserkabel erreicht werden.

Antrag der Deutschen Telekom

Die Deutsche Telekom hatte im Februar 2015 den Antrag BK3-15-004 bei der Bundesnetzagentur eingereicht, um die Vectoring-Technik künftig auch in den um die Hauptverteiler liegenden Nahbereichen einsetzen zu können. Die Telekom verpflichtet sich darin die Nahbereiche bis 2018 auszubauen.

Die Bundesnetzagentur hat einen Entscheidungsentwurf zum Antrag der Telekom verfasst. Nach Durchführung von Anhörungen und nach Prüfung der Stellungnahmen hat die Bundesnetzagentur am 7. April ihren Entscheidungsentwurf der Europäischen Kommission zur Genehmigung (Notifizierung) vorgelegt.

Die EU-Kommission wird nun entscheiden, ob der Beschluss der Bundesnetzagentur den Regeln eines fairen Wettbewerbs entspricht.

Breitband-Offensive 4.0
Die Landesregierung hat 2012 mit der Breitbandinitiative II den Ausbau von schnellem Internet neu aufgestellt und dabei eine bundesweite Vorreiterrolle übernommen. Mit der Breitband-Offensive 4.0 startete die nächste Stufe im Ausbau des schnellen Internet in Baden-Württemberg. Die neue Förderrichtlinie wurde im Juli 2015 von der Europäischen Union genehmigt. Mit den beiden Sonderlinien „Schulen an die Glasfaser“ und „Gewerbe an die Glasfaser“ unterstützt das Land die Kommunen mit bis zu 90 Prozent Förderung. Die interkommunale Zusammenarbeit, das gezielte und effiziente Miteinander und die dabei erzielten Synergien honoriert das Land ebenfalls bereits ab der Planung mit einem bis zu 90 Prozent hohen Fördersatz.

Mit dem kommunalen und insbesondere dem interkommunalen Netzausbau und dem daraus resultierenden Open Access sind die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb unter den Telekommunikationsunternehmen, Netzbetreibern und Dienste-Anbietern geschaffen. Dies nutzt allen – den Kommunen ebenso wie den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Die Landkreise planen und bauen die digitale Infrastruktur langfristig, nachhaltig und zukunftsfähig. Die Versorgungsraten verbessern sich innerorts schon dann beträchtlich, wenn die Ortsteile an das Glasfaser-Backbone angebunden sind – also bereits nach ungefähr zwei Jahren.

Internetzugänge, die auch große Datenmengen schnell übertragen, gehören zu einer modernen Infrastruktur und haben sich zu einem bedeutenden Standortfaktor entwickelt. Grundsätzlich fördert das Land nach dem Betreibermodell mit glasfaserbasierten Netzen in öffentlicher Hand. Dort, wo der Markt versagt, unterstützt das Land die Kommunen beim Ausbau des schnellen Internet. Diese bauen die kommunalen Netze nach ihren Bedürfnissen schrittweise aus. Die Infrastruktur wie Kabelkanäle, Leerrohre und die inaktive Glasfaser ist und bleibt im Eigentum der Kommunen. Der anschließende Netzbetrieb wird von Netzbetriebsgesellschaften übernommen, die sich in transparenten Ausschreibungsverfahren einen Dienste-Anbieter als Partner auswählen.

In einem ersten Schritt wird die Gemeinde an das Glasfaser-Backbone-Netz angeschlossen. Die Backbone-Netze erstrecken sich über das gesamte Ausbaugebiet, bei interkommunaler Zusammenarbeit des Landkreises mit seinen Kommunen also über das gesamte Kreisgebiet, und halten pro Gemeinde mindestens zwei Übergabepunkte vor. Gleichzeitig werden Verbindungspunkte zu den benachbarten Backbone-Netzen festgelegt. Die Übergabepunkte haben einen gesicherten Zugang auf der Leitungsebene und sind damit für alle Telekommunikationsunternehmen, Netzbetreiber und Diensteanbieter nutzbar.

Informationen zur Breitbandversorgung und zur Breitbandoffensive 4.0

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