Tierschutz

Herdenschutzhunde – eine risikoreiche Scheinlösung

Ausgelöst durch die Rückkehr des Wolfes auch nach Baden-Württemberg stellt sich die Frage, wie die Weidetiere vor Wolfsrissen, die Tierhalter vor der damit verbundenen Belastung, und die heimische Landwirtschaft vor dem dadurch bedingten Strukturwandel geschützt werden können. Neben anderen Maßnahmen, wie z.B. Schutzzäunen, wird zunehmend die Einführung von Herdenschutzhunden in Erwägung gezogen. Herdenschutzhunde sind dabei nicht zu verwechseln mit Hütehunden, die auf Befehl und Anweisung des Schäfers mit der Herde arbeiten. „Herdenschutzhunde haben meist nur eine geringe Motivation mit dem Menschen zu kooperieren. Sie zeigen selbstbewusst ein starkes Territorialverhalten und werden seit vielen Generationen darauf gezüchtet, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, wenn sie die Sicherheit ihrer Herde bedroht sehen“, so Amtstierärztin Ariane Kari, stellvertretende Landestierschutzbeauftragte, während einer Fortbildungsveranstaltung der Landestierärztekammer in Stuttgart.

Klassische Ursprungsländer dieser sehr alten Hunderassen sind wilde, menschenleere Gebiete wie die Maremma, die Pyrenäen, der Kaukasus oder das anatolische Bergland.

„Die Sozialisierung dieser Hunde ist extrem aufwendig und erfordert ein hohes Maß an Sachkunde und Verantwortung vom Halter dieser Hunde“, gibt Dr. Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte zu bedenken.
In anderen Ländern, wie z.B. der Schweiz, sammelte man schon Erfahrungen mit Einsatz von Herdenschutzhunden gegen Wölfe. „Die zerklüfteten und menschenleeren Hochtäler Graubündens kann man jedoch nicht mit unseren kleinteiligen Wäldern und eng besiedelten Kulturräumen vergleichen“, so Dr. Thomas Steidl, Präsident der Landestierärztekammer Baden-Württemberg. Und weiter: „Der schreckliche Beißunfall im Mai diesen Jahres, bei dem eine ältere Dame von einem Herdenschutzhund tödlich verletzt wurde, ist uns noch lebhaft im Gedächtnis.“

„Auch aus diesem furchtbaren Unglück wird ersichtlich, wie wichtig der Sachkundenachweis für Halter bestimmter Hunde ist, der von Fachkreisen seit Jahren gefordert wird“, so Stubenbord.

„Ich mache mir bei den Herdenschutzhunden nicht nur darüber Gedanken, was unbeteiligten Spaziergängern passieren kann, sondern auch, wie wir uns als Tierärzte nachts oder im Notdienst verhalten sollen, wenn verunfallte Herdenschutzhunde in unsere Praxen zur Behandlung gebracht werden. Das sind Situationen, die mit anderen Gefahrhunden überhaupt nicht vergleichbar sind,“ so Steidl, der Angst um die Unversehrtheit der Tierärztinnen und Tierärzte hat. „Arbeitsschutz muss hier vor Herdenschutz gehen! Der Herdenschutzhund ist in Baden-Württemberg kein geeignetes „Anti-Wolf-Instrument“, sondern für unbeteiligte Dritte im höchsten Grade risikobehaftet.“

„Und in den Schrebergarten gehören Herdenschutzhunde erst recht nicht“, so das einstimmige Urteil von Landestierärztekammer und Landestierschutzbeauftragter.

Zusatzinformation:

Die Landestierärztekammer Baden-Württembergs ist das Selbstverwaltungsorgan des tierärztlichen Berufsstandes, in der alle Tierärzte des Bundeslandes Mitglied sind.
In der Kammer sind aktuell ca. 4.000 Tierärzte Mitglied. Die Mehrzahl ist kurativ in der Groß- oder Kleintierpraxis tätig. Mehr als 500 Tierärztinnen und Tierärzte nehmen im öffentlichen Dienst hoheitliche Aufgaben wahr. Sie überprüfen die Unbedenklichkeit von Lebensmitteln und die Hygiene in Lebensmittelbetrieben, kontrollieren Tiertransporte und Tierhaltungen auf Einhaltungen der tierschutzrechtlichen Bestimmungen, überwachen Einfuhren von Tieren und Lebensmitteln tierischen Ursprungs an den Grenzen und Flughäfen und untersuchen im Labor Lebensmittel und Proben von Tieren.

Weitere Informationen:
Julia Schultz
Landestierärztekammer Baden-Württemberg
Telefon:0711–7228632 14  Fax: 0711–722863220  E-Mail: j.schultz@ltk-bw.de

Quelle:

Landestierärztekammer Baden-Württemberg