Tierschutz

Erhebliche Missstände bei Drittlandexporten von Nutztieren

Dr. Julia Stubenbord: „Der Schutz unserer Tiere muss auch über Grenzen hinweg sichergestellt sein“

„Es gilt zu handeln“, so die Landesbeauftragte für Tierschutz, Dr. Julia Stubenbord, am 2. Februar in Stuttgart bezüglich der erheblichen Missstände bei Drittlandexporten von Nutztieren, die in der „37 Grad“-Reportage des ZDF aufgedeckt wurden. „Die Bilder waren kaum zu ertragen. Deutschen Rindern werden in Schlachtstätten des Nahen Ostens die Beinsehnen durchschnitten und die Augen ausgestochen, um diese hilflosen Tiere dann betäubungslos zu schlachten“, erläutert Stubenbord. In der Reportage wurden Transporte dokumentiert, bei denen Rinder vor Erschöpfung und Durst sterben. Außerdem zeigten die Filmaufnahmen, wie verletzte Rinder an einer Gliedmaße per Kran aus dem Transportschiff auf einen LKW gezogen wurden. Diese Praktik ist bereits seit den Neunzigerjahren bekannt.

Die Zahl der exportierten Nutztiere in Drittländer, auch aus Baden-Württemberg, ist in den letzten vier Jahren stark gestiegen. Hauptabnehmer sind die Türkei, der Nahe Osten und Nordafrika. Es werden einerseits Schlachttiere exportiert, um diese nach den dortigen religiösen Riten zu schlachten. Andererseits werden Zuchttiere für den Aufbau eigener Milchbetriebe in die genannten Länder verkauft. Trotz der bereits seit Jahrzehnten stattfindenden Zuchttiertransporte ist kein nennenswerter Aufbau einer Milchrinderzucht in Drittländern zu vermerken. „Schlacht- und Zuchttiere unterliegen beim Transport den gleichen rechtlichen Mindestanforderungen“, betont die Landestierschutzbeauftragte.

Die direkte Kontrollmöglichkeit von Langstreckentiertransporten durch Mitgliedsstaaten endet an den EU-Außengrenzen. Allerdings werden die Tiere nach Grenzübertritt in das Bestimmungsland oft noch tausende Kilometer weiter transportiert. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2015 gelten die Transportbestimmungen der EU bis zum Ziel im Drittland. Somit müssen unter anderem Futter- und Wasserversorgung sowie Ruhezeiten auf Grundlage der europäischen Transportverordnung gewährleistet sein. „In Drittländern fehlt es aber meist an Infrastrukturen, um die Grundversorgung der Tiere sicher zu stellen“, schildert Stubenbord.

Nach dem Grundsatz unseres Tierschutzgesetzes darf man Tieren nur mit einem vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. „Es kann nicht im Sinne dieses Gesetzes sein, aus wirtschaftlichen Gründen deutsche Schlachttiere tage- bis wochenlang unter widrigen Umständen zu transportieren, um sie schlussendlich im Bestimmungsland unter absolut tierschutzwidrigen Methoden zu schlachten, statt Fleisch anstelle lebender Schlachttiere zu transportieren. Nach dem heutigen Stand der Reproduktionstechnik könnten ebenfalls Embryonen oder Sperma statt lebende Zuchttiere transportiert werden“, so Stubenbord.

„Wir wissen um die Umstände auf den Transportern und der Schlachtmethoden in Drittländern. Der Schutz unserer Tiere muss über Grenzen hinweg sichergestellt werden. Die Abfertigung von Zuchttiertransporten ist auszusetzen, solange die Versorgung der Tiere nicht gewährleistet wird. Eine unabhängige Kommission könnte die Einhaltung tierschutzrechtlicher Anforderungen im Drittland überprüfen“, plädiert Stubenbord mit Blick auf ein Gespräch unter der Leitung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz mit allen beteiligten Marktteilnehmern und Nichtregie- rungsorganisationen am 6. Februar, um ein Konzept zur Erhöhung des Tierschutzes bei Tiertransporten zu entwickeln. „Wir benötigen eine Lösung, denn auch unsere Landwirte möchten ihre Tiere in gute Hände abgeben und sie vor solchen Missständen geschützt wissen. Aus Sicht des Tierschutzes sollten Schlachttiertransporte durch Transport von Fleisch ersetzt werden und die Schlachtung immer so nah wie möglich am Ort der Haltung erfolgen. Eine absolute Höchstdauer von acht Stunden für Schlachttiertransporte, wie schon lange gefordert, ist überfällig. Bis dahin müssen noch eigene Hürden auf Bundes- und EU-Ebene überwunden werden“, räumt Stubenbord abschließend ein.

Weitere Informationen zur Arbeit der Landesbeauftragten für Tierschutz gibt es unter http://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unser-haus/die-landesbeauftragte-fuer-tierschutz/ .