Landwirtschaft

Zweiter Bericht zur Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in Baden-Württemberg vorgestellt

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Biene an Rapsblüte

Minister Peter Hauk MdL: „Unsere Bäuerinnen und Bauern gehen verantwortlich mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln um.“ Der zweite Bericht zur Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in Baden-Württemberg wird vorgestellt.

„Baden-Württemberg legt den zweiten Bericht zur Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel im Land vor, der erstmals Erhebungsdaten des neu im Land eingerichteten Betriebsmessnetzes enthält. Im Rahmen des Biodiversitätsstärkungsgesetzes ist es Ziel der Landesregierung, bis 2030 die Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent zu senken. Dazu haben wir nun einen Ausgangspunkt bzw. eine sogenannte ‚Baseline‘ festgelegt, die den Erfolg der Pflanzenschutzreduktion messbar machen soll. Das erste Trendjahr 2020 zeigt dabei bei den Daten des Betriebsmessnetzes einen Rückgang gegenüber der Baseline von 10 Prozent. Bei den herangezogenen Marktforschungsdaten beträgt der Rückgang 17 Prozent“, sagte der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk MdL, am Freitag (2. Dezember) in Stuttgart, anlässlich der Vorstellung des zweiten Berichtes zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln in Baden-Württemberg.

Das Land zählt, gemessen am Produktionswert der landwirtschaftlichen Erzeugung, zu den vier größten Agrarproduzenten in Deutschland. Mit den Sonderkulturen wie Obst, Gemüse, Hopfen und Reben wird sogar eine bundesweite Spitzenstellung bezogen. „Eine starke regionale Produktion mit hochwertigen Lebensmitteln schont nicht nur weltweit den Flächenbedarf für die Nutzpflanzenproduktion, sondern schützt auch das Klima und reduziert Importe“, so Minister Hauk.

Zur Erzeugung qualitativ hochwertiger Lebensmittel und Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung ist jedoch auch ein Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln notwendig. „Der Pflanzenschutz ist dabei umfassender zu sehen als die bloße Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Leitbild für unsere Betriebe ist der integrierte Pflanzenschutz, mit vorbeugenden Maßnahmen wie Fruchtfolgegestaltung, Sortenwahl und Bodenbearbeitung. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist immer die letzte Möglichkeit und wird auf das unabdingbar notwendige Maß reduziert“, betonte Minister Hauk.

Basis des nun vorgestellten zweiten Pflanzenschutzmittelberichts sind Daten des neu im Land eingerichteten Betriebsmessnetzes, Marktforschungsdaten sowie weitere Statistiken. Aus diesen Daten wurde die ‚Baseline‘ in Höhe von 2.100 Tonnen chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittelwirkstoffe pro Jahr als Mittelwert mehrerer Jahre hergleitet. Die Analyse der Pflanzenschutzmittelanwendung in der vorgelegten Differenziertheit ist die Voraussetzung dafür, dass bei der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln an den richtigen Stellen angesetzt werde. Hierzu gehören beispielsweise die Ausweitung des Ökolandbaus, ein besserer Wissenstransfer durch ein Demobetriebsnetz und schließlich Fortschritte in der Züchtung und der Entwicklung neuer nicht chemischer Verfahren im Pflanzenschutz.

Ergänzt wurde der Bericht um einen weiteren Berichtsteil zu ‚Strategien der Gesunderhaltung von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen im ökologischen Anbau‘ der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Anbau Baden-Württemberg e. V. In dieser Anbauform werden keine chemisch-synthetischen, sondern nur in einigen Kulturen Pflanzenschutzmittel angewendet, die auf einer EU-anerkannten Positivliste stehen.

Bei der Reduktion chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in Baden-Württemberg spielt der Ausbau des ökologischen Landbaus ebenso eine große Rolle wie die Etablierung neuer, innovativer Pflanzenschutzverfahren. Die Zielerreichung wird insbesondre vom Klimawandel und dem möglichen Auftreten neuer Schaderreger und Krankheiten beeinflusst werden. Daher müssen ebenso Jahre mit extrem nasser Witterung, wie beispielsweise das Jahr 2021, mit einem extrem hohen Pflanzenschutzmittelaufwand zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten in allen Kulturen berücksichtigt werden.

Gemäß Biodiversitätsstärkungsgesetz ist im Jahr 2023 eine erste umfassende Evaluierung der Maßnahmen vorgesehen.

Hintergrundinformationen:

Der Bericht bezieht alle Bereiche ein, in denen chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel angewendet werden. Neben der Landwirtschaft zählen dazu auch der Wald, Verkehrswege, öffentliches Grün und die Haus- und Kleingärten.

Insgesamt werden anhand von zwei unterschiedlichen Erhebungen, Ableitungen und vereinfachten Schätzungen als mehrjähriger Durchschnittswert rund 2.100 Tonnen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe jährlich im Land ausgebracht. Dies entspricht einer Menge von 2,4 kg je Hektar bzw. 0,24 g je Quadratmeter und Jahr der Fläche im Land, die regelmäßig mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wird. Eine Reduktion um 40 bis 50 Prozent bis 2030 bedeutet einen Rückgang um ca. 900 t.

Von den 2.100 Tonnen werden in der Landwirtschaft ca. 98 Prozent angewendet. Hierbei stehen die Herbizide mit etwas über 50 Prozent an der Spitze, dicht gefolgt von den Fungiziden mit 35 - 45 Prozent. Die Insektizide machen unter 1 – 2 Prozent aus und die Akarizidmenge ist zu vernachlässigen.

Ein jetzt schon grob abschätzbares Reduktionspotential von 140 Tonnen besteht im Wegfall von Glyphosat ab 2024 sowie in einem möglichen Wegfall der chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel im Haus- und Kleingarten. Weiter wird die beabsichtigte Ausweitung des ökologischen Landbaus wesentlich zur Reduktion beitragen. Auf den integriert bewirtschafteten Flächen wird mit Hilfe der 36 Demobetriebe der Wissenstransfer und die Informationsvermittlung in die Praxis voraussichtlich deutlich zur Pflanzenschutzmittelreduktion beitragen.

Von der Einführung der zusätzlichen landesspezifischen Vorgaben zum integrierten Pflanzenschutzes (IPSplus) in Landschaftsschutzgebieten, Natura 2000-Gebieten und weiteren Schutzgebieten sind weitere Reduktionspotentiale zu erwarten.

Durch angewandte Forschung und Entwicklung der landwirtschaftlichen Landesanstalten und weiteren Forschungseinrichtungen werden wir neue nicht-chemische Verfahren bereitstellen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • pilzwiderstandsfähigen Sorten im Wein-, Obst- und Getreidebau, welche die Anzahl der Fungizidbehandlungen beträchtlich senken;
  • neue digitale Techniken zur mechanischen Unkrautbekämpfung müssen sich weiter in der Praxis verbreiten;
  • Prognosemodelle müssen durch Forschung zur Epidemiologie und laufende Validierung in der Praxis weiterentwickelt und treffsicherer gemacht werden

Baden-Württemberg nutzt intensiv die Fördermöglichkeiten der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), um ab 2023 den Ökolandbau weiter auszubauen und Agrarumweltmaßnahmen anzubieten, die den Pflanzenschutzmitteleinsatz reduzieren, z. B. neue Fördermaßnahmen im Bereich Fungizid- und Herbizidverzicht.

Download: Bericht zur Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in Baden-Württemberg