Unsere Landwirtschaft bildet die Grundlage für mehr Artenvielfalt und Biodiversität
Landwirtschaft und Artenschutz gehen in Baden-Württemberg Hand in Hand. Außerdem sind die Landwirtschaft und die Landbewirtschaftung die Grundlage für Artenvielfalt in unserer Kulturlandschaft. Deshalb ist es für uns wichtig, unseren Bäuerinnen und Bauern weiterhin angemessene Rahmenbedingungen zu erhalten und zu schaffen, in denen sie auch in Zukunft nachhaltig und naturnah arbeiten und wirtschaften können.
Mit der Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes haben wir eine Grundlage geschaffen, die unseren Landwirten in Baden-Württemberg eine Vorwärtsstrategie bietet. Die am 31. Juli 2020 in Kraft getretenen Regelungen sind darüber hinaus ein Vorbild an demokratischer Beteiligung. Gemeinsam mit den betroffenen Landwirtschafts- und Naturschutzverbänden konnten umsetzungstaugliche Lösungen gefunden werden, die Landwirtschaft und Naturschutz noch enger zusammenbringen.
Die gesetzlichen Änderungen gehen auf die Eckpunkte der Landesregierung zum Schutz der Insekten in Baden-Württemberg zur Weiterentwicklung des Gesetzesentwurfs der Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ zurück. Die Landesregierung hat die Forderungen der Initiative sowie die Forderungen im Volksantrag „Gemeinsam unsere Umwelt schützen“ in weiten Teilen übernommen und zusätzliche Maßnahmen für verschiedene Felder des gesellschaftlichen Lebens eingefügt.
Wesentliche Inhalte der Gesetzesnovelle
Nach § 17a Absatz 1 des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG) verfolgt das Land das Ziel, bis zum Jahr 2030 den Anteil des ökologischen Landbaus auf 30 bis 40 Prozent zu erhöhen. Es wird die Rahmenbedingungen so gestalten und Anreize dafür bieten, dass genügend Betriebe bis zum Jahr 2030 umstellen. Die Umstellung eines Betriebs auf ökologische Bewirtschaftung ist die unternehmerische Entscheidung der Betriebsleiterin bzw. des Betriebsleiters. In den Jahren 2023 und 2027 erfolgt jeweils eine Evaluierung der Umsetzung, sodass gegebenenfalls nachgesteuert werden kann. Soweit das Land das Ziel von 30 bis 40 Prozent Ökolandbau an der Fläche nicht erreichen sollte, müssen die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden.
Das Land bietet eine Vielzahl von Beratungsmodulen und Förderangeboten an, um landwirtschaftliche Unternehmen bei der Umstellung zu begleiten und zu unterstützen. Maßgeblich für den Erfolg werden zudem der weitere Ausbau der Vermarktung und die Verbraucherinformation sein. Die Entwicklung der erforderlichen Nachfrage wird das Land gezielt unterstützen. Nur so lässt sich die Bereitschaft der Verbraucher, aber auch der Großverbraucher wie der Kantinen und des Lebensmittelhandwerks, steigern, einen fairen Preis für biologisch erzeugte Produkte aus Baden-Württemberg zu zahlen. Damit kann der erforderliche weitere Ausbau der Marktanteile von biologischen Erzeugnissen zu angemessenen Preisen erreicht werden.
Eine Markt- und Potenzialanalyse mit Handlungsempfehlungen für Land- und Lebensmittelwirtschaft wurde erstellt.
Das Land baute zudem Demonstrationsbetriebe mit vorbildlichen Naturschutzmaßnahmen auf, die als Anschauungsbetriebe für die ökologische und konventionelle Branche dienen. Weiterhin sind Demobetriebe zum Ökolandbau als Thema für Bauer-zu-Bauer-Gespräche vorgesehen.
Die Verpachtung der landeseigenen Flächen im Streubesitz erfolgt vorrangig, aber nicht ausschließlich, an ökologisch wirtschaftende Betriebe. Agrarstrukturelle Belange werden dabei berücksichtigt. Es ist möglich, auf den Flächen beispielweise auch bestimmte FAKT-Maßnahmen umzusetzen. So können auch konventionelle Betriebe die Flächen weiterhin bewirtschaften und es wird vermieden, dass arrondierte Flächen durch die Regelung aufgeteilt werden.
Nach § 17b Absatz 1 LLG soll bis zum Jahr 2030 eine landesweite Reduktion des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent in der Menge erreicht werden. Das Land muss seinen Teil zu dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe beitragen und dazu die Rahmenbedingungen so gestalten, dass das Ziel auch erreicht werden kann. Eine einzelbetriebliche Verpflichtung gibt es indessen nicht. Das Land fördert daher die Anschaffung neuer Technik und wird den freiwilligen Verzicht auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verstärkt fördern.
Die Reduktion des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel soll insbesondere durch folgende Maßnahmen erreicht werden:
- technische Weiterentwicklung,
- Substitution chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel durch biologische Verfahren und Mittel,
- Steigerung des Anteils ökologisch wirtschaftender Betriebe,
- Ausbau des integrierten Pflanzenbaus,
- verstärkte Nutzung resistenter Sorten,
- Verbot von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in privaten Gärten,
- Reduktion chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel im Bereich des Verkehrs (insbesondere Gleiskörper),
- Ausbau der Förderung zum freiwilligen Pflanzenschutzmittel-Verzicht und verstärkte Nutzung von FAKT- und LPR-Maßnahmen durch die landwirtschaftlichen Betriebe,
- optimierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durch Ausbau der Beratung und der Informationsvermittlung,
- Verbot von Pestiziden (Pflanzenschutzmittel und Biozide) in Naturschutzgebieten.
Zur Zielerreichung wurdeein Netz aus freiwilligen, kulturübergreifenden Demonstrationsbetrieben eingerichtet. Auf diesen Betrieben werden die veränderten Pflanzenschutzstrategien umgesetzt, gemessen und regelmäßig evaluiert.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, dass die ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel hergestellten Produkte zu einem angemessenen Preis verkauft werden können. Dazu bedarf es einer entsprechenden Unterstützung in den Bereichen Marketing und Qualitätssicherung entlang der Wertschöpfungsketten.
In Naturschutzgebieten gilt seit dem 1. Januar 2022ein Verbot für alle Pestizide (Pflanzenschutzmittel und Biozide). Für Härtefälle (insbesondere Existenzgefährdung), bei Kalamitäten (zum Beispiel massiver überregionaler Schädlingsbefall), zum Schutz der Gesundheit (zum Beispiel zur Bekämpfung von Stechmücken und Eichenprozessionsspinnern) und zur Erhaltung der Schutzgebiete (zur Bekämpfung invasiver Arten oder – bei prägenden Nutzungsarten – insbesondere zum Schutz der auf die besondere Nutzung angewiesenen spezifischen Tier- und Pflanzengesellschaften) können auf Antrag bei den zuständigen Regierungspräsidien Ausnahmen erteilt werden.
In den übrigen Schutzgebieten werden neben den allgemeinen Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes zusätzliche landesspezifische Vorgaben verbindlich vorgeschrieben, dokumentiert und kontrolliert. Die verbindliche Einhaltung dieser zusätzlichen Vorgaben soll zu einem vorbildlichen integrierten Pflanzenschutz in den Schutzgebieten führen, der die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das absolut notwendige Maß minimiert.
Tiere und Pflanzen brauchen dauerhafte Rückzugs- und Lebensräume auch im Offenland, damit sich die verbliebenen Bestände erholen können. Dazu sollen mittelfristig auf 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche sogenannte Refugialflächen geschaffen werden. Diese sind je landwirtschaftlicher Landnutzungsart auszuweisen und sollen von den landwirtschaftlichen Betrieben auf freiwilliger Basis, beispielsweise durch die Umsetzung entsprechender FAKT- oder LPR-Maßnahmen erbracht werden. Es wird somit kein Betrieb gegen seinen Willen gezwungen, Refugialflächen auszuweisen. Allerdings hat sich das Land zum Ziel gesetzt, dass auf jedem Betrieb mindestens 5 Prozent an ökologisch wirksamen Maßnahmen umgesetzt werden. Das Land wird daher die Förderangebote für Refugialflächen attraktiv gestalten. Im Rahmen der Förderung werden auch zusätzliche Maßnahmen für verschiedene landwirtschaftliche Landnutzungsarten aufgenommen beziehungsweise ausgebaut und weiterentwickelt, die sich besonders positiv auf die Stärkung der Artenvielfalt auswirken können.
Welche Nutzungsformen oder Flächen als Refugialflächen anerkannt werden, wird durch eine Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz geregelt, im Einvernehmen mit der obersten Naturschutzbehörde. Hier geht es zum Download der Verwaltungsvorschrift.
Die Landesregierung erfüllt mit der Verkündung der Verwaltungsvorschrift Refugialflächen die gesetzliche Verpflichtung des § 17d LLG und genügt damit im Übrigen auch der Zielfestlegung der europäischen Biodiversitätsstrategie 2030, Refugialflächen auf landwirtschaftlichen Flächen zu bestimmen und auszubauen.
Landwirtschaftliche Flächen stellen für die Landwirtschaft die zentrale Produktionsressource dar. Ein Ziel des Landes ist es, landwirtschaftliche Flächen zu schützen und so zur Landschaftsentwicklung beizutragen. Für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden sollen nach Möglichkeit geschont werden. Um diesen Erfordernissen, insbesondere vor dem Hintergrund der Flächeninanspruchnahme für Bau- und Infrastrukturmaßnahmen und der Notwendigkeit der Nutzung der Böden für die Landwirtschaft, Rechnung zu tragen, sind Bodenbilanzen und Standorteignungskartierungen wichtige Entscheidungshilfen. In regelmäßigen Abständen werden daher Bodenbilanzen und Standorteignungskartierungen fortgeschrieben.
Für Streuobstbestände ab einer Größe von 1500 m² gilt ein Erhaltungsgebot. Einzelbäume können wie bisher bewirtschaftet, gefällt oder nachgepflanzt werden, ohne dass es einer Genehmigung bedarf. Die Umwandlung eines Streuobstbestandes ist nur möglich, wenn die Erhaltung des Streuobstbestandes nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Insbesondere wenn der Streuobstbestand für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder für den Erhalt der Artenvielfalt von wesentlicher Bedeutung ist, kann eine Genehmigung nicht erteilt werden.
Für Umwandlungen von Streuobstbeständen hat ein Ausgleich zu erfolgen, vorrangig durch die Anlage eines neuen Streuobstbestandes. So wird sichergestellt, dass die flächenhafte Inanspruchnahme reduziert wird und die für Baden-Württemberg so prägende Nutzungsform auch künftig erhalten bleibt.