Die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wie das weltweite Bevölkerungswachstum, die damit verbundene Ressourcenverknappung und der Klimawandel erfordern einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Langfristiges Ziel: Ein Strukturwandel von einer fossilbasierten Wirtschaft zu einer stärker auf Biomasse und biologischen Ressourcen basierenden, energie- und rohstoffeffizienten Kreislaufwirtschaft.
Mit der Bioökonomie gewinnt die nachhaltige Erzeugung und Nutzung von biologischen Ressourcen an Bedeutung. Sie verbindet Ökologie und Ökonomie mit technischen und sozialen Fragestellungen.
Der Agrar-, Forst- und der Fischereisektor sowie die vor- und nachgelagerten Industriezweige tragen maßgeblich zur Wertschöpfung in ländlichen Gebieten bei. Eine intelligente Nutzung biobasierter Ressourcen ist eine wichtige Voraussetzung für die Transformation zu einer regenerativen und umweltfreundlicheren Wirtschaftsweise. Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz unterstützt die Wirtschaft in ländlichen Gebieten durch seine Förderprogramme, praxisnahe Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie Maßnahmen in der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Dies kommt sowohl privatwirtschaftlichen Unternehmen als auch der Gesellschaft als Ganzes zugute.
Die sichere Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit gesunden Lebensmitteln, der gleichzeitige Ausbau nachwachsender Rohstoffe zur stofflichen und energetischen Nutzung und der notwendige Schutz der Ressourcen Wasser und Boden sowie der Biodiversität erfordern innovative Ansätze, die den Gesamtprozess betrachten. Eine nachhaltige Bioökonomie verfolgt die Vision, Mensch und Natur in Einklang zu bringen und dabei Wohlstand zu mehren.
Angesichts dieser Herausforderungen ist ein ökonomisches Denken und Handeln, das eine regenerative Ausrichtung fördert und eine zirkuläre - keine lineare - Wirtschaft ermöglicht, gefordert. Die wissensbasierte Bioökonomie bietet Lösungsansätze für diese Herausforderungen und kann gleichzeitig die internationale Wettbewerbsfähigkeit Baden-Württembergs als Wirtschaftsstandort stärken.
Innovationen entlang der Lebensmittel-Wertschöpfungskette
Die sichere Versorgung mit Lebensmitteln ist ein Kernziel einer nachhaltigen Bioökonomie. Ressourcenschonende Produktionssysteme, die intelligente Vernetzung von Stoffströmen und Verarbeitern entlang der Wertschöpfungsketten sowie innovative Verarbeitungsprozesse helfen dabei, gesunde Produkte bedarfsorientiert zu erzeugen. Beispiele hierfür sind alternative regionale Proteinquellen für die Ernährung von Mensch und Tier oder funktionale Inhaltstoffe für Lebensmittel (Ballaststoffe, Farbstoffe, Aromen etc.), die aus Neben - und Koppelströmen der Lebensmittelwertschöpfungskette gewonnen werden. Durch intelligentes Stoffstrom- und Ressourcenmanagement und funktionale biobasierte Verpackungssysteme können Verluste entlang der Lebensmittel-Wertschöpfungskette verringert werden. Smarte Ansätze aus dem Bereich Landwirtschaft 4.0 ermöglichen einen effizienten und umweltschonenden Ressourceneinsatz.
Syntheseleistung der Natur stofflich nutzen
Nachwachsende Rohstoffe und deren Bestandteile besitzen bereits vielfältige funktionale Eigenschaften. Biobasierte Roh- und Reststoffe sind wahre Multitalente in der stofflichen Nutzung und bereits in vielen Alltagsprodukten enthalten. Sie sind nicht bloßer Ersatz fossiler Rohstoffe, sondern ermöglichen oft einen funktionalen Mehrwert oder Vorteile in der umweltgerechten Produktion.
Die biobasierte Industrie eröffnet die Chance zur Entwicklung einer „modernen“ Chemie, die diese Funktionalitäten nutzt . Aus Biomasse, insbesondere aus Koppelprodukten und Reststoffen der traditionellen Verarbeitung, können beispielsweise Chemikalien, Fasern, Pigmente und Kunststoffe hergestellt werden. Diese Materialien und Produkte sind entweder identisch mit den fossilbasierten Pendants oder besitzen ganz neue Eigenschaften, die mit fossilen Rohstoffen nicht oder nur mit deutlich mehr Aufwand hergestellt werden können.
Energetische Nutzung von Biomasse
Bioenergie aus nachhaltig erzeugter und genutzter Biomasse ist ein wichtiger Baustein für die Energiewende. Sie ist derzeit die einzige erneuerbare Energieform, die flexibel und bedarfsgerecht Wärme, Strom und Kraftstoffe mit hoher Energiedichte bereitstellen kann. Im Jahr 2022 lieferten in Baden-Württemberg die Erneuerbaren Energien im Stromsektor einen Anteil an der Bruttostromerzeugung in Höhe von 35,4 %, wovon 7,7 % aus Biomasseanlagen bereitgestellt wurden (Quelle: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft). Die rund 1000 bestehenden Biogasanlagen spielen dabei eine wichtige Rolle. Das MLR betreibt beim Landwirtschaftlichen Zentrum in Aulendorf einen Informationsdienst zum Thema Biogas.
Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass Biomasse ein knappes und von vielen Seiten nachgefragtes Gut ist. Im Kontext einer nachhaltigen Bioökonomie steht die Ernährungssicherung einer wachsenden Weltbevölkerung an erster Stelle. Nachhaltige Bioökonomie zielt darauf ab, vorrangig Nebenprodukte und Reststoffe aus der Erzeugung und Verarbeitung von Biomasse, die weder für Ernährungszwecke noch für eine stoffliche Nutzung geeignet sind oder benötigt werden, energetisch zu nutzen. Darüber hinaus kann die energetische Nutzung von Biomasse am Ende einer möglichst langen und mehrfachen stofflichen Nutzung, einer sogenannten Kaskadennutzung, stehen.
Bioraffinerien
Bioraffineriekonzepte befassen sich mit der Etablierung von Wertschöpfungsnetzen, in denen die verschiedenen Bestandteile von Biomasse als Wert- und Wirkstoffe ihrer bestmöglichen Nutzung zugeführt werden. Eine solche Vielfältigkeit der Biomassenutzung findet beispielsweise in der Papier- oder der Zuckerindustrie bereits statt, die mittlerweile auch eine Vielzahl an Vorprodukten für die chemische Industrie und weitere Anwendungen herstellen. Lediglich die nicht anderweitig verwertbaren Reststoffe werden zur Energiegewinnung genutzt. Biogasanlagen mit ihren Infrastrukturen eignen sich ebenfalls für den Aufbau von dezentralen, modularen „Biofabriken“ und könnten durch die Gewinnung und Vermarktung von hochwertiger Inhaltsstoffe (z.B. Fasern, Proteine, Nährstoffe) der eingesetzten Substrate ihr Produktportfolio und damit ihr Einkommen ausweiten.
Multitalent Holz – Rohstoff mit Potenzial
Baden-Württemberg liegt mit einem Hektarvorrat im Gesamtwald von 377 m³ Holz deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 336 m³. Die Entwicklung neuer Produkte und Verbindungstechniken, auch aus Laubhölzern, ist für die Forstwirtschaft von besonderem Interesse und bietet Chancen, nachhaltiges Bauen mit Holz noch stärker zu etablieren und Baustoffe mit einem großen CO2-Fußabdruck – wie Beton oder Stahl – zu substituieren. Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz unterstützt diese Entwicklungen. Das neu gegründete Technikum Laubholz soll Innovationen im Bereich der stofflichen Verwendung von Laubholz weiter vorantreiben.
Hintergrund
Unter Bioökonomie oder auch biobasierter Wirtschaft versteht die Landesregierung in Anlehnung an die Definition des Bioökonomierates: „Die wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, um Produkte, Prozesse und Prinzipien in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems bereitzustellen.“
Weiterführende Informationen
Bioökonomie
Informationsplattform zur Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie
Video: Uni Hohenheim über Bioökonomie
Biogas
Informationsdienst zum Thema Biogas beim Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW)
Ergebnisse der Bioenergieforschungsplattform (gefördert von 2008-2013)