Zwei Seiten der Medaille
Die Digitalisierung kann die landwirtschaftlichen Unternehmen in Zukunft insbesondere dabei unterstützen:
- die Effizienz der eingesetzten Betriebsmittel zu steigern und natürliche Ressourcen zu schonen,
- negative Umweltwirkungen zu reduzieren und positive Wirkungen auszubauen,
- in der Tierhaltung die Entwicklung hin zu mehr Tiergesundheit und mehr Tierwohl zu befördern,
- eine adäquate Teilhabe, der in der Landwirtschaft, Tätigen am technischen Fortschritt sowie an den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen zu ermöglichen,
- die gesellschaftliche Akzeptanz aller landwirtschaftlichen Produktionsformen zu befördern und lebenslanges Lernen zu unterstützen,
- die Aus-, Fort- und Weiterbildung effektiv, zielgerichtet und modern zu gestalten und
- den Beratungskräften zeitgemäße und zielgerichtete digitale Werkzeuge an die Hand zu geben.
Aber, jede Medaille hat zwei Seiten – so auch die der Digitalisierung. Das heißt, neben den zahlreichen Vorteilen und Chancen dieser neuen Technologien gibt es auch gewisse Herausforderungen und Risiken, die es zu meistern gilt.
- Datenschutz, Datensicherheit, Datenhoheit
Der Schutz personenbezogener Daten ist über die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) und das Bundesdatenschutz (BDSG) geregelt. Dabei müssen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit Speicherbegrenzung sowie Integrität und Vertraulichkeit eingehalten werden. Problematisch wird es allerdings bei nicht personenbezogenen Daten, also jene Daten, die von Maschinen erzeugt und in einer Datenbank oder Cloud gespeichert werden, wie es bei digitalen Techniken in der Landwirtschaft häufig der Fall ist. Hier greifen weder die zuvor genannten Rechtsgrundlagen noch das Sachenrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das Urheberrechtsgesetz (UrhG) oder das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Vielmehr muss die Datennutzung und der Datenschutz über privatrechtliche Verträge vereinbart und abgesichert werden. Solche vertraglichen Regelungen im Einzelfall sind bisher auch das einzige Mittel zur Klärung der Frage der Datenhoheit („wem gehören die Daten?“). Ziel muss es sein, dass für die Belange des Datenschutzes, der Datensicherheit und der Datenhoheit zukünftig entsprechende rechtliche Grundlagen für die branchenspezifischen Ansprüche der Landwirtschaft geschaffen werden. - Flächendeckende Infrastruktur (Breitbandausbau und Mobilfunknetzabdeckung)
Die Verwirklichung der Anforderungen der digitalen Zukunft in Baden-Württemberg – auch im landwirtschaftlichen Bereich – wird nur per Glasfaser erreichbar sein. Aus diesem Grund wird bereits heute der Ausbau moderner, nachhaltiger Netze vorangetrieben. Sie bilden letztendlich die essentielle Grundlage für ein zukünftiges 5-G-Mobilfunknetz aber auch für die heute schon angewendeten digitalen Technologien. Der Studie „Evaluation zur Weiterentwicklung der Breitbandförderung in Baden-Württemberg“ der TÜV Rheinland Consulting GmbH im Auftrag des Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen (IM) zufolge sind für einen flächendeckenden Netzausbau bis zum Jahr 2025 bis zu 300 Mio. € pro Jahr erforderlich. Dabei ist die bisherige Versorgungslage sehr stark abhängig von der Siedlungsstruktur. Hier wird in vier Raumkategorien (RK) unterschieden (siehe Graphik).
Aufgrund des geringeren Nachfragepotentials sowie der schwierigeren topografischen und räumlichen Bedingungen ist die Breitbandverfügbarkeit im Ländlichen Raum bisher noch am geringsten. Für die Digitalisierung der Landwirtschaft stellt dies eine besondere Herausforderung dar.
- Herstellerübergreifende Datenformate / Kompatibilität der Systeme
Bei der Übertragung von Daten zwischen Schlepper und Anbaugerät spielt die Kompatibilität der Systeme eine entscheidende Rolle. Sollen z. B. bei der Aussaat GPS-Daten der Fahrspuren erfasst und später bei der Düngung oder dem Pflanzenschutz wieder verwendet werden, müssen die Daten für die Software verschiedenster Traktoren und Anbaugeräte unterschiedlicher Hersteller verwendet werden können.
Ein erster Ansatz zur Lösung dieses Problems ist die Entwicklung eines speziellen Datenübertragungssystems (Datenbusses) für die Landwirtschaft. Dieses sogenannte ISOBUS-System ist konform zur Norm ISO11783, welche neben den physikalischen Eigenschaften des Netzwerkes, wie Stecker und Leitungen, auch die Art der Teilnehmer sowie Datenformate und Schnittstellen definiert. Wesentliche Elemente dieser Anwendung sind genormte Steckverbindungen für Datensignale und elektrische Energie zwischen Traktor und Anbaugerät, das Virtual Terminal als Anzeige- und Bediengerät und der Task Controller der als Schnittstelle zur Gerätesteuerung Daten der ausgeführten Arbeiten dokumentieren, Geodaten zum Anbaugerät oder zum Traktor übermitteln oder z. B. Teilbreiten des Anbaugerätes schalten kann.
Problematisch bei der Anwendung des ISOBUS ist, dass die Norm den Entwicklern relativ viele Freiheiten lässt. Dies führt in der Praxis bei der Kombination verschiedener Herstellersysteme immer wieder zu Problemen. Während zu Beginn der Einführung des ISOBUS Anfang der 2000er Jahre eher die schleppende Umsetzung des Standards in der Praxis Probleme brachte, so ist der ISOBUS heute an seine Leistungsgrenzen gekommen. Daher wird mit Hochdruck am „High Speed“-Nachfolger gearbeitet.