Tierschutz

Kükentöten darf nicht allein wirtschaftlich motiviert sein

Tierschutzbeauftragte der Länder äußern Erwartung an das Bundesverwaltungsgericht und fordern Beachtung des Staatsziels Tierschutz

Am 13. Juni wird das Bundesverwaltungsgericht sein seit langem erwartetes Revisionsurteil in Sachen „Tötung männlicher Eintagsküken“ verkünden.

Seit den 1980er Jahren ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass wirtschaftliche Gründe nicht ausreichen, um einen „vernünftigen Grund“, wie er nach dem Tierschutzgesetz vorliegen muss, um ein Wirbeltier zu töten, auszufüllen. Das Oberlandesgericht Frankfurt/M hat dazu schon am 14. 9. 1984 erklärt: Ökonomische Gründe allein seien zur Ausfüllung des Begriffs ‚vernünftiger Grund‘ nicht geeignet, weil bei Anlegung eines allein ökonomischen Maßstabs die Grundkonzeption des Tierschutzgesetzes – nämlich der ethische Tierschutz, der das Tier um seiner selbst willen schützt und ihm damit einen Eigenwert zuerkennt – aus den Angeln gehoben würde.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat jedoch mit diesem Grundsatz gebrochen und am 20. 5. 2016 die Tötung der männlichen Eintagsküken, obwohl rein wirtschaftlich motiviert, als mit dem Tierschutzgesetz vereinbar erklärt. Damit ist der Lebensschutz für Tiere -  trotz des hohen Rangs, den ihm der Gesetzgeber im Tierschutzgesetz seit 1972 zuerkennt – weitgehend entwertet worden.

Die Landestierschutzbeauftragten erwarten vom Bundesverwaltungsgericht, dass es das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz beachtet und die Entwertung, die der „vernünftige Grund“ und damit der gesetzliche Lebensschutz durch das Urteil des OVG Münster erfahren hat, aufhebt. Notwendig ist ein höchstrichterliches Urteil, das unmissverständlich deutlich macht, dass die bis 2016 weitgehend unbestrittene Rechtsprechung, wonach wirtschaftliche Gründe allein nicht ausreichen können, um ein Tier zu töten, weiterhin gilt. Niemand darf ein Tier – sei es ein Nutz- oder ein Heimtier –  allein deswegen töten, weil er die mit seiner Haltung und Aufzucht verbundenen Aufwendungen einsparen will oder der Meinung ist, dass diesen Aufwendungen keine entsprechende Gewinnerwartung gegenübersteht. Dafür spricht maßgeblich auch das 2002 ins Grundgesetz eingefügte Staatsziel Tierschutz, das ein Rückschrittsverbot enthält und das bereits deswegen das OVG Münster hätte davon abhalten müssen, Tötungen, die rein wirtschaftlich motiviert sind, entgegen der bis dahin geltenden gefestigten Rechtsprechung für rechtens zu erklären. Würde dieses Urteil aufrechterhalten, so wäre zu befürchten, dass nicht nur Nutz- sondern auch Heimtiere, sobald der Halter ihrer überdrüssig geworden ist und die für sie notwendigen Aufwendungen nicht mehr tragen will, getötet werden.