Ernährung

Preisvergleich zeigt: Landwirtschaft ist kein Inflationstreiber

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Weizen auf dem Feld: Bei Weizenbrötchen landen nur fünf Prozent des Ladenpreises im Geldbeutel der Landwirte.

Minister Peter Hauk MdL stellt Vergleich von Erzeuger- und Verbraucherpreisen im Land vor. Teilweise landen nur fünf Prozent des Ladenpreises im Geldbeutel der Landwirte. Minister will Marktbeirat einrichten.  

„Die Inflation und die in vielen Bereichen gestiegenen Preise, insbesondere für Lebensmittel, beschäftigen die Menschen und bewegen sie zum Sparen. Gerade im Lebensmittelsektor fallen Verbrauchern Preissteigerungen besonders auf, da man an der Kasse unmittelbar mit den Kosten konfrontiert wird. Wer ist verantwortlich für die Preissteigerungen? In den letzten Monaten wurde häufig die Landwirtschaft als Inflationstreiber genannt. Das wollten wir so nicht ungeprüft stehen lassen und haben deshalb einen Vergleich von Erzeuger- und Verbraucherpreisen in Auftrag gegeben“, sagte der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk MdL, am Donnerstag (4. Januar) anlässlich der Vorstellung des Vergleichs auf einer Landespressekonferenz.

Die Ergebnisse zeigen, dass Lebensmittel für die Verbraucher deutlich teurer geworden sind und ihren Anteil an der Inflation haben. Die Landwirtschaft ist dafür allerdings nur teilweise verantwortlich, da sie nur ein Glied der gesamten Wertschöpfungskette ist. „Sie ist definitiv kein Inflationstreiber“, so Minister Hauk.

In dem Preisvergleich wurden zwei Kennwerte errechnet: Die Spanne, welche die gesamte Wertschöpfungskette umfasst sowie der prozentuale Anteil der Erzeugererlöse am Verbraucherpreis.

Am Beispiel von Toastbrot als hoch verarbeitetes Lebensmittel mit mehreren Verarbeitungs- und Vermarktungsstufen zeigt sich, dass sich die Spanne in den letzten fünf Jahren praktisch verdoppelt hat und der Anteil an den Verbraucherausgaben, der den Getreideerzeugern zukommt, inzwischen bei unter zehn Prozent liegt, bei Brötchen sind es sogar weniger als fünf Prozent.

Wiederholt wurden hier knappe Getreideernten mit kurzzeitig erhöhten Erzeugerpreisen als Argument für Preissteigerungen in der ganzen Wertschöpfungskette genutzt, die dann bei wieder gefallenen Erzeugerpreisen jedoch nicht mehr zurückgenommen wurden.

Bei nicht verarbeiteten Produkten wie z.B. bei Äpfeln ist die Spanne über die Jahre langsamer gestiegen. Aber auch hier liegt der Anteil des Erzeugerpreises am Verbraucherpreis erstaunlicherweise nur bei rund 30 Prozent.

Die Kosten für Betriebsmittel – d.h. beispielsweise zwingend erforderliche Kosten für Saatgut, Energiekosten, Futtermittel usw. – und für die Erfüllung der gestiegenen gesellschaftlichen Erwartungen an eine nachhaltige, umwelt- und tierwohlgerechte Produktion in der Landwirtschaft sind massiv angestiegen.

Starke Kostensteigerungen in der Erzeugung und damit teilweise auch für den Verbraucher schlagen sich beispielswiese bei Eiern (Futter, Tierschutzanforderungen) oder auch Rinderhackfleisch (Lohn-, Logistik und Energiekosten) nieder.

„Insgesamt ist festzustellen, dass Phasen temporär höherer Erzeugerpreise oft für die Anhebung der Verbraucherpreise genutzt wurden. Rückläufige Erzeugerpreise beziehungsweise Schwächephasen wurden dagegen preislich seltener und zum Teil verzögert an die Verbraucher weitergegeben“, so Minister Hauk.
Das Ergebnis dieser Rahmenbedingungen sollte zum Nachdenken anregen: Die landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe in Baden-Württemberg sind bei den Unternehmensergebnissen 2022 / 2023 erneut Schlusslicht in Deutschland. „Die Betriebe brauchen Wertschöpfung durch Fairness und Wertschätzung vom Acker bis zum Teller! Denn uns muss klar sein: Gibt ein Hof auf, schließt nicht nur ein Unternehmen – sondern eine Familie verliert dadurch ihre Existenz!“, macht Minister Hauk deutlich.

Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe wie auch die Tierhaltung im Land ist drastisch zurückgegangen und nimmt weiter ab. Parallel dazu sind auf Bundesebene Streichungen der Agrardiesel-Unterstützung und weitere Verringerungen von Steuererleichterungen geplant. „Ein wichtiger Schritt für die Wertschätzung der heimischen landwirtschaftlichen Erzeugung ist aus unserer Sicht die Einrichtung eines Marktbeirats. Dieser soll auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse transparent und nach Fairnesskriterien eine neutrale Bewertung der Erzeuger-, Produkt-, Produktions- und Verkaufspreise vornehmen. Des Weiteren soll er die Vorarbeiten und Lösungsansätze des Strategiedialogs Landwirtschaft fortführen. Nur wenn alle Glieder der Wertschöpfungskette ein gutes Auskommen haben, wird die Kette langfristig bestehen und regionale Lebensmittel verfügbar sein. Ein Appell an die Verbraucher: anstatt dem Motto ‚Geiz ist geil‘ zu folgen, sollten wir uns eher daran orientieren, dass Genuss Haltungssache ist. Entscheidend ist was wir alle auf das Kassenband legen!“, betonte Minister Hauk.

Der Minister adressierte auch explizit an den Handel: „Wer mit regionalen Produkten wirbt, muss auch konsequent qualitativ hochwertige regionale Produkte anbieten und nicht den Fokus auf den Wettbewerb mit den Mitbewerbern um das jeweils preisgünstigste Produkt legen. Eine wertschätzende Partnerschaft mit den Erzeugern sollte selbstverständlich sein. Nachhaltig ist sie auf jeden Fall“, gab Minister Hauk mit ins neue Jahr 2024.

Und auch die Politik müsse ihren Beitrag leisten: „Die Landwirtschaft sind wichtige Stützen des Ländlichen Raums, sie produzieren nicht nur Lebensmittel, sie erhalten und pflegen unsere Kulturlandschaft, schaffen Arbeitsplätze und sorgen für Wertschöpfung. Ich sage nein zu immer höheren Anforderungen, noch mehr Bürokratie und noch mehr Auflagen! Die letzten Jahre wurde das Paket an Auflagen für die Landwirte immer größer, der Inhalt im Geldbeutel aber nicht. Das kann so nicht weitergehen“, forderte Hauk.

Hintergrundinformationen:

Ziel des Vergleichs war es, die Entwicklung der Erzeuger- und Verbraucherpreise landwirtschaftlicher Produkte und Lebensmittel zu analysieren und die Einflussfaktoren der Preissteigerungen und des Preisabstands zu ermitteln. Dazu wurden für die letzten zehn Jahre und für rund 20 Lebensmittel die Einkaufspreise der privaten Haushalte basierend auf Erhebungen der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg (GfK) mit den Erzeugerpreisen der jeweiligen landwirtschaftlichen Produkte verglichen.

Für den Preisvergleich der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL)  wurden überwiegend baden-württembergische Preise zugrunde gelegt. Bei einigen Produkten wurde aus Gründen der Verfügbarkeit auf bundesweite Daten zurückgegriffen.

Um auch weiterhin die gesamte Wertschöpfungskette im Blick zu haben, ist dem Beispiel des vorliegenden Preisvergleichs folgend vorgesehen, eine wissenschaftliche Einrichtung mit einer entsprechenden langfristigen Analyse zu beauftragen.

Ausführlicher Vergleich der Erzeuger- und Verbraucherpreise in den Jahren 2014 bis 2023 (PDF).