Wenn Vögel in Panik auffliegen, Katzen sich zitternd unter Möbeln verkriechen und Schafe nervös flüchten, zeigt sich deutlich, wie stark die Silvesternacht auf Tiere wirkt. Die Kombination aus lauten Knallgeräuschen, grellen Lichtblitzen und dichtem Rauch bedeutet für sie eine erhebliche Belastung. Während wir Menschen den Jahreswechsel feiern, nehmen Tiere diese Situation völlig anders wahr: als unvorhersehbar, potenziell gefährlich und ausgesprochen stressreich.
Die baden-württembergische Landestierschutzbeauftragte Dr. Julia Stubenbord erklärt am 29.12.2025 in Stuttgart: „Es ist ganz einfach: Bis auf wenige Individuen empfinden Tiere Angst.“ Das gilt für unsere Haustiere ebenso wie für landwirtschaftlich gehaltene Tiere und die Wildtiere in Feld und Wald. „Die Besonderheit bei Tieren liegt darin, dass sie nicht abstrahieren können“, so Dr. Stubenbord weiter. „Sie verstehen nicht, dass die Gefahr nach kurzer Zeit vorbei ist. Für sie wirkt der Zustand ausweglos – ohne absehbares Ende –, was das Leid enorm verstärkt.“
Viele Halter versuchen, ihre Tiere an Silvester zu schützen, bleiben bei ihnen, beruhigen sie oder greifen auf tierärztlich verordnete Beruhigungsmittel zurück. Manche Hundebesitzer verbringen den Jahreswechsel sogar bewusst an Orten ohne Feuerwerk. Denn: Haustiere geraten häufig in Panik, können traumatisiert werden oder entlaufen – ein Risiko sowohl für sie selbst als auch im Straßenverkehr. Viele Tierhalterinnen und Tierhalter versuchen, ihre Tiere in der Silvesternacht bestmöglich zu schützen: Sie bleiben bei ihnen, sprechen beruhigend auf sie ein oder setzen von Tierärzten verordnete Beruhigungsmittel ein. Einige Hundebesitzer weichen für den Jahreswechsel sogar gezielt an feuerwerksfreie Orte aus. Der Grund liegt auf der Hand: Haustiere geraten während des Lärms leicht in Panik, können dadurch traumatische Erfahrungen machen oder in ihrer Angst entlaufen – mit Risiken sowohl für das Tier selbst als auch für die Sicherheit im Straßenverkehr.
Besonders betroffen sind auch Pferde, die trotz jahrhundertelanger Domestikation Fluchttiere geblieben sind. In der Silvesternacht kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen, in denen Pferde durchgehen oder sich verletzen. Tierarztpraxen berichten jährlich von einem hohen Einsatzaufkommen, weil viele Tiere medikamentös versorgt werden müssen, damit panische Unfälle möglichst vermieden werden.
Auch in der Haltung landwirtschaftlich genutzter Tiere führt Feuerwerk zu erheblichem Stress. Medikamentöse Beruhigung ist hier nicht üblich. Gerade bei Geflügel können Massenpaniken entstehen, mit Verletzungen oder Erdrückungstod in der Folge.
Oft sichtbar trifft es unsere Begleittiere, mit denen wir unmittelbar leben. Wir sehen ihre Angst, hören ihr Hecheln, Zittern oder Jaulen – ihr Leid ist für uns direkt spürbar, und wir fühlen mit ihnen. Doch dürfen wir die Wildtiere und landwirtschaftlich genutzten Tiere nicht vergessen, die ebenso stark unter Furcht und Panik leiden, obwohl ihr Leid weniger unmittelbar vor unseren Augen stattfindet.
Wildtiere flüchten bei Knallgeräuschen und Lichtblitzen oft bis zur völligen Erschöpfung, was tödlich enden kann. Nachts verlieren Wildvögel zudem leicht die Orientierung. Betroffen sind auch gefährdete heimische Arten.
Ein besonders wichtiger Punkt betrifft Tiere im Winterschlaf oder in Winterruhe wie Igel oder Fledermäuse. In den zunehmend warmen Wintern sind sie ohnehin häufiger an der Stoffwechselgrenze, und laute Störungen können sie aus ihrem entscheidenden Energiesparmodus reißen. Wachen sie durch Knallgeräusche auf, verbrauchen sie wertvolle Energie, müssen auf Nahrungssuche gehen und finden in dieser Jahreszeit oft nichts. Dieses unvorhergesehene Aufwachen kann zu extremen Stoffwechselbelastungen am Limit führen.
Dr. Stubenbord bedankt sich ausdrücklich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich bewusst gegen das private Böllern entscheiden: „Wir sehen erfreulicherweise, dass immer mehr Menschen an Silvester auf Pyrotechnik verzichten oder Alternativen wählen.“
Und auch einzelne Städte in Baden-Württemberg werden tier- und umweltfreundlicher: In Heilbronn gilt zu Silvester ein umfangreiches Böllerverbot für pyrotechnische Knallkörper in großen Teilen des Stadtgebiets, in Esslingen am Neckar wurde das Feuerwerksverbot auf die gesamte Innenstadt ausgeweitet, und auch Stuttgart führt – wie in den Vorjahren – ein Feuerwerksverbot im Innenstadtbereich fort.
Die Landestierschutzbeauftragte lobt: „Das ist der richtige Weg. Wer Tiere liebt und ihre Empfindungen ernst nimmt, verzichtet auf Pyrotechnik mit grellen Lichtblitzen und lauten Knallgeräuschen.“
Weitere Informationen zur Arbeit der Landesbeauftragten für Tierschutz


