Algorithmen

#seiunberechenbar ... beim Einkaufen

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Shopping im Internet

Wer im Internet einkauft, gibt preis, was ihn interessiert. Algorithmen erstellen daraus persönliche Profile. Anonym und günstig im Netz einkaufen – hier steht, wie es geht.

„Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch...“ – ein gängiger Satz in Online-Shops. Er weckt ein mulmiges Gefühl: Woher wissen die das?

Entstanden ist er Ende der 1990er Jahre bei einem Online-Buchhändler. Das Ziel: Bessere Empfehlungen für die nächste Lektüre zu liefern als der Buchhändler im Laden um die Ecke – automatisiert und ohne Wartezeit. Die Basis: Nicht ein Vergleich der Kunden, sondern der eingekauften Bücher. Es werden Gemeinsamkeiten Artikel für Artikel abgeglichen.

Und genau das kann ein Algorithmus besser und schneller als jeder Mensch. Algorithmen sind die Grundlage für nahezu alle automatisierten Empfehlungen: Auf YouTube errechnen sie etwa, welches Video den Nutzer als nächstes interessieren könnte. Google sagt dem User, was zum eingegebenen Suchwort von anderen Nutzern der Suchmaschine auch oft gesucht wird. Verbessert wird dieser Algorithmus durch Feedback, nach dem dieser die Nutzer selbst fragt: Zum Beispiel indem Google die Nutzer dazu aufruft, die vorgeschlagenen Suchanfragen zu bewerten oder indem der Online-Buchversand die Empfehlungen für die nächste Lektüre von den Kunden bewerten lässt.

Amazon will den Algorithmus auf die Spitze treiben: Um die Lieferzeit zu verkürzen, packt der Versandhändler ein Paket mit Produkten, die den Kunden interessiert haben oder interessieren könnten und schickt es in ein nahegelegenes Versandzentrum. Bestellt der Kunde dann wirklich, kann es ihm schneller zugestellt werden – vielleicht sogar per Lieferdrohne. Momentan ist das alles noch Zukunftsmusik, doch 2013 wurde dem Online-Händler ein Patent erteilt, das sich „Vorhersageversand“ nennt.

Aber nicht nur die Kaufhistorie wird von Algorithmen genutzt, um das Online-Shopping und damit Kaufanreize zu setzen: Immer mehr Händler setzen auf „Dynamic Pricing“ – im Offline-Leben vergleichbar mit sich ändernden Benzin-Preisen an Tankstellen. Im Online-Handel kann sich der Preis eines Produktes einer Studie des Software-Unternehmens „Minderest“ zufolge bis zu 100 Mal am Tag ändern – je nach Marktsituation: Je höher die Nachfrage, desto höher der Preis. Diese Technik ist mittlerweile gängige Praxis.

Deutlich seltener: Personalisierte Preise. Ein ausgeklügelter Algorithmus macht den Preis, den ein Kunde zahlt, von mehreren Faktoren abhängig. Zusätzlich zum Kaufzeitpunkt kann etwa das Surfverhalten, der Wohnort (über die IP oder das Kundenprofil) und möglicherweise das zur Bestellung genutzte Endgerät darüber entscheiden, was auf dem virtuellen Preis-Schild steht. Anders als beim Dynamic Pricing ist also nicht die Marktsituation entscheidend. Ob personalisierte Preise eingesetzt werden ist stark umstritten, nach aktuellem Stand werden sie wohl nicht flächendeckend eingesetzt.

Grundsätzlich möglich werden personalisierte Preise unter anderem durch sogenannte Cookies. Das sind kleine textbasierte Dateien, die der Browser beim Besuch eines Online-Shops, samt den oben genannten Daten speichert. Nun kommen Algorithmen ins Spiel: Beim nächsten Webseitenbesuch liefert der Browser die Informationen aus den Cookies automatisch an den Webserver der Seite.

Der Algorithmus nutzt diese Daten im Fall der „Personalisierten Preise“, um Preise anzupassen oder Produktsortierungen zu ändern. Die gute Nachricht: Diese Technik ist längst nicht so verbreitet wie Dynamic Pricing. Eine Marktwächter-Studie hat dazu mehr als ein halbes Jahr Preise von 1.554 Artikel bei 16 Online-Händlern, Amazon und mehr als 2.000 Händlern des Amazon Marktplatzes auf fünf Endgeräten und an drei Standorten ausgewertet. Das Ergebnis: Der Standort kann den Preis beeinflussen, das Endgerät spielte keine Rolle.

Im Tourismus sieht das anders aus: Mehrere Stichproben des Bayerischen Rundfunks haben gezeigt, dass Buchungswebseiten wie Booking.com App-Nutzer benachteiligt: Wer über den Browser kommt, werden günstigere Hotels weiter oben angezeigt. Bei der gleichen Suchanfrage in der App sind vor allem teure Hotels weiter oben. Ein Test der Zeitschrift „Clever Reisen“ hat außerdem für Flugbuchungen festgestellt, dass Preise für Buchungen per Smartphone oder Tablet bei einigen Airlines höher waren als bei derselben Buchung mit am PC. Das US-Reiseunternehmen Orbitz hat gegenüber dem Wallstreet Journal offen bestätigt, dass es Apple-Nutzern teurere Hotelzimmer anbietet, weil diese kaufkräftiger seien als Windows-Nutzer.

Ein Beispiel, wie personalisiertes Pricing von Vorteil sein kann: Manche Online-Händler setzen den Algorithmus für gezielte Rabatte ein – etwa für Besucher, die ein Produkt in den Warenkorb gelegt, den Kauf aber noch nicht abgeschlossen haben.

Entscheidend sei zu wissen, dass es intransparent arbeitende Algorithmen gibt, denn alleine dieses Bewusstsein führt zu einem kritischeren Umgang. Besser noch: „Wenn man ein bisschen Bescheid weiß, wie sie funktionieren, versteht man vielleicht eher, warum etwas passiert, was einem nicht gefällt“, sagt Stefan Funke, Professor und Leiter der Algorithmik-Abteilung am Institut für Formale Methoden der Informatik an der Universität Stuttgart.

Deswegen ist es wichtig, dass wir uns bewusst machen, was bei Online-Bestellungen mit unseren Daten passiert – und es gegebenenfalls gar nicht dazu kommen lassen. Wir zeigen Ihnen, wie.

So mache ich mich #unberechenbar beim Online-Shopping

  1. Augen auf bei der Browser-Nutzung: Ein Zweitbrowser schadet nicht. Außerdem: Die Browser regelmäßig bereinigen (Cache und Cookies löschen!). Am besten öffnen Sie für Ihren Online-Einkauf ein privates Browserfenster (Firefox, Safari) durch Klick auf „Datei“ und „Neues Privates Fenster“ oder nutzen Sie den „Inkognito-Modus“ (Chrome): Klick auf „Datei“ und „Neues Inkognitofenster“. Auf dem Smartphone funktioniert das ebenso einfach: Android-Nutzer tippen im Chrome-Browser auf die drei Punkte neben der Adresszeile und wählen „Neuer Inkognito-Tab“. iPhone-Nutzer tippen zunächst auf die zwei ineinander verschachtelten Vierecke am unteren Bildschirmrand und wählen dann „Privat“. So können die Online-Händler schwieriger nachvollziehen, welche Angebote Sie bereits wie oft angesehen haben.
     
  2. Preisvergleichsportale kritisch nutzen: Vergleichsportale im Internet bieten ihre Leistungen in der Regel kostenlos an, verdienen jedoch Geld über Vermittlungsprovisionen. Es ist daher ratsam, mehrere Vergleichsportale  zu nutzen und deren Ergebnisse zu vergleichen. Zu beachten sind die Voreinstellungen, die nicht für jede Situation geeignet sind. Vergleichsportale decken oft auch nicht alle wichtigen Anbieter in einem Markt ab. Die Suchergebnisse können in irreführender Art und Weise sortiert sein und mit Hinweisen auf begrenzte Kapazitäten können Verbraucher unter Druck gesetzt werden, möglichst schnell zu kaufen. So können z.B. nicht die günstigsten oder die am besten bewerteten Hotels oben in den Suchergebnissen stehen, sondern die, die dem Portal die höchsten Provisionen zahlen. Es ist daher ratsam, auch direkt die Angebote der in Frage kommenden Hotels bzw. Händler zu prüfen oder beim Einzelhandel vor Ort nachzufragen und auf Sonderangebote zu achten. Bei Prüfzeichen sollte generell darauf geachtet werden, was geprüft wurde. Beispielsweise sagt ein Test des Kundenservice eines Onlineshops nichts über die Qualität der angebotenen Produkte aus.
     
  3. Geräte bewusst nutzen: Wer per Smartphone, Macbook oder Tablet einkauft, sollte den Preis auch mal an einem stationären PC prüfen. Bisweilen erscheinen teure Angebote in den Suchergebnissen weiter oben. Manchmal sind aber auch Preise für Mobil-Shopper günstiger.
     
  4. So spät einloggen wie möglich: Kunden, die schon beim Stöbern eingeloggt sind, verraten dem Online-Shop zu viel von den persönlichen Interessen. Sofern der Online-Shop es anbietet: Als Gast bestellen – ganz ohne Registrierung.
     
  5. Von verschiedenen Seiten auf den Shop zugreifen: Nutzer von Preisvergleichen bekommen oft einen niedrigeren Preis angezeigt als solche, die die Shop-URL direkt in die Adresszeile des Browsers eingeben – etwa wenn Preisvergleichs-Plattformen exklusive Sonderangebote mit den Shops aushandeln.
     
  6. IP-Adresse ändern: Es wird vermutet, dass manche Algorithmen vom Standort des Nutzers ableiten, ob er eher in einer reicheren Gegend wohnt und daher der Preis höher sein kann oder nicht. Die IP-Adresse genügt dazu. Um das zu umgehen, nutzt man am besten einen VPN-Dienst, um die IP-Adresse zu verschleiern. Bei der Auswahl von VPN-Anbietern sollten Sie darauf achten, einen Player zu wählen, der bereits lange am Markt ist, statt dem veralteten PPTP-Protokoll OpenVPN nutzt, Ausgangsknoten in mehreren Ländern anbietet und nichts protokolliert (Lizenzbestimmungen lesen!).
     
  7. Der richtige Zeitpunkt: Als Faustregel gilt eher unter der Woche als am Wochenende zu kaufen und morgens eher als abends – also genau entgegengesetzt zur besten Tankzeit. Aber Achtung: Es gibt Ausnahmen. Vor allem bei Produkten, die man zurückgeben kann oder Leistungen, die storniert werden können, kann sich ein zweiter Preisvergleich zu einem späteren Zeitpunkt lohnen bevor man das Wunschprodukt bestellt.  
     
  8. Keine Clubs nutzen (offline und online): Prämienprogramme, wie Payback, DeutschlandCard oder andere Anbieter, belohnen den Nutzer für jeden Einkauf mit Punkten, einzulösen als Rabatt, Gutscheine oder Produkte: als Dankeschön für die persönlichen Daten. Das Prämienprogramm erfährt nicht nur, wann der Teilnehmer was und wo gekauft hat, sondern legt ein umfassendes Profil an, das ihm noch mehr verrät: Zahlungsbereitschaft, Lebensumstände, Interessen, Hobbies, Familienstand und vieles mehr. Also: Legen Sie Wert darauf, dass kein umfassendes Profil erstellt wird, sollten Sie gar nicht erst anfangen, so viele Daten preiszugeben.
     
  9. Personalisierte Werbemöglichkeiten deaktivieren: Jeder Online-Shop bietet, wenn auch versteckt, die Möglichkeit, personalisierte Werbung und Empfehlungen auszuschalten. Das sollten Sie nutzen. Bei Amazon geht das beispielsweise so: Im Bereich „Mein Konto“ gibt es unter der Überschrift „E-Mail-Benachrichtigungen, Mitteilungen und Werbung“ den Punkt „Personalisierte Werbung“. Nach einem Klick darauf den Punkt „Interessensbezogene Werbung von Amazon nicht anzeigen“ auswählen und mit „Speichern“ bestätigen. Wer seine Zeit damit nicht vergeuden möchte, kann auch auf Browser-Plugins zurückgreifen, die personalisierte Werbung deaktivieren, indem sie Skripte und Tracking-Versuche blockiert oder Cookies automatisch löscht – etwa mit uBlock Origin, Testsieger bei Stiftung Warentest oder Privacy Badger.

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Das sagen die Experten

PD Dr. Jessica Heesen zum Thema Einkaufen