Ob Fachkräftemangel, demographischer Wandel oder Vereinsnachwuchs: Junge Menschen sind eine entscheidende Gruppe für die Zukunft ländlicher Räume. Sie zeigen zudem großen Ideenreichtum und Tatkraft bei der Mitgestaltung ihres Lebensumfelds vor Ort. Die Studien und Projekte des MLR zielen daher darauf ab, für die Belange junger Erwachsener und Jugendlicher zu sensibilisieren sowie praktische Möglichkeiten ihrer Beteiligung aufzuzeigen.
Junge Erwachsene
Nach dem Schulabschluss beginnt für junge Erwachsene eine Orientierungs- und Findungsphase: Wo will ich leben? Wo kann ich meine Wünsche und Vorstellungen verwirklichen?
Oft führt der Bildungsweg zunächst in die Städte, weshalb der Ländliche Raum bei der Altersgruppe der 18 – 24jährigen durchgehend Bevölkerung verliert (sogenannte Bildungswanderung). Eine Ausnahme stellen ländliche Standorte von Dualen Hochschulen dar.
Bildungswanderung muss nicht zwingend auch zu einer langfristigen Abwanderung führen. Die Umsetzung eines Rückkehr- oder Bleibewunsches hängt jedoch erheblich von den Infrastrukturen vor Ort ab. In ländlichen Regionen spielen vor allem die Verfügbarkeit altersgerechten Wohnraums sowie passende Mobilitätsangebote eine Rolle.
Eine vorausschauende Stadtplanung und Regionalplanung, welche die Gruppe der jungen Erwachsenen systematisch berücksichtigt, kann daher langfristige Effekte auf den Fachkräftemangel und die demographische Entwicklung entfalten.
Studien und Modellprojekte: Junge Erwachsene
Die Lebensphase junger Erwachsener ist wie keine andere von Wohnortwechseln geprägt. Was motiviert junge Erwachsene bei diesen Wohnentscheidungen? Welche Faktoren ziehen sie aufs Land zurück? Mit welchen Maßnahmen lässt sich die Standortattraktivität ländlicher Regionen für diese Zielgruppe erhöhen?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Studie „Wo will ich leben?“, welche im März 2025 von der Universität Stuttgart veröffentlicht wurde. Mit finanzieller Unterstützung des MLR steht die Publikation als PDF-Datei zur Verfügung.
Kurzfassung (pdf)
Im Rahmen eines regionalen Agenda 21-Projekts in Oberösterreich wurde festgestellt, dass mangelnder attraktiver und bezahlbarer Wohnraum einer der wesentlichen Gründe ist, warum junge Erwachsene nicht im Ländlichen Raum bleiben bzw. nach Ausbildung oder Studium nicht wieder in die ländlichen Gemeinden zurückkommen. Im Jahr 2021 förderte das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz daher ein Projekt von SPES e.V., Sutter3 sowie dem K-Punkt Ländliche Entwicklung in Baden-Württemberg, das analog zum Konzept aus Oberösterreich und unter Einbeziehung des dort gesammelten Expertenwissens durchgeführt wurde.
Die sechs beteiligten Modellgemeinden durchliefen einen begleiteten Planungsprozess, bei dem vor Ort geeignete Leerstände identifiziert, mögliche Finanzierungsmodelle vorgestellt und passgenau der Bedarf für Junges Wohnen ermittelt wurde. Am Ende lagen in den Modellkommunen konkrete und umsetzbare Konzepte für Junges Wohnen vor. Die dabei entwickelten Musterprozesse sind auch auf weitere Kommunen übertragbar und stehen auf der Projektwebsite zur Verfügung.
Jugendliche
Die Verbundenheit mit der ländlichen Heimatregion beginnt bereits in jungen Jahren. Eine hohe Freizeitqualität der Natur, die Einbindung ins Ehrenamt, aber auch eine aktive Jugendbeteiligung erhöhen dabei die Chancen, dass Jugendliche sich in ihrer Heimat verwurzelt fühlen und sich später für einen ländlichen Wohnort entscheiden. Eine vorausschauende Standortpolitik beginnt deshalb bereits bei Kindern und Jugendlichen.
Studien und Modellprojekte: Jugendliche
Was bewegt Jugendliche im Ländlichen Raum Baden-Württembergs und wo sehen sie ihre Zukunft? Zu diesem Thema liegt mit der Studie „Jugend im Ländlichen Raum Baden-Württembergs“ erstmals eine repräsentative Erhebung vor. Sie wurde im Auftrag des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg von der Jugendstiftung Baden-Württemberg in den Jahren 2020 und 2021 erstellt. Kernstück der Studie ist eine umfangreiche Umfrage zur Zufriedenheit der Jugendlichen in ihrer Kommune, die unter 1.409 Schüler/innen im Alter von Zwölf bis 18 Jahren durchgeführt wurde und speziell auf den Ländlichen Raum zugeschnitten ist.
Projektwebseite mit Kernaussagen, Materialien und Veranstaltungen zur Studie www.studie.land
Download Jugendstudie (pdf)
Das ehrenamtliche Engagement ist eine wichtige Säule für die hohe Lebensqualität und Verbundenheit der Menschen im Ländlichen Raum. Durch den Wegzug junger Erwachsener zu Studienzwecken ergibt sich jedoch ein Nachwuchsproblem in den Vereinen.
Für die Studie „Jung und engagiert im Ländlichen Raum“ wurden im Sommer 2023 1.100 Schülerinnen und Schüler der Oberstufe zu ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit und ihren Zukunftsperspektiven befragt.
Download der Studie (pdf)
Für kleine Kommunen bestehen besondere Herausforderungen bei der Jugendbeteiligung, da oft geeignete Räume und finanzielle Ressourcen fehlen. Zudem mangelt es häufig an Personal von Seiten der Verwaltung, um eine professionelle Begleitung und die Öffnung von Beteiligungsräumen für Jugendliche zu ermöglichen.
Mit diesem Ausgangspunkt entwickelte und erprobte die Jugendstiftung Baden-Württemberg von 2022 – 2024 niedrigschwellige Formate zur Jugendbeteiligung, welche einfach und mit wenig Aufwand umgesetzt werden können. Die Handreichung steht kostenlos zur Verfügung und beinhaltet alle Vorlagen und Praxistipps, um die Module „Dorfspaziergang“, „Politikdialog“ und „Homepage-Check“ selbst erfolgreich durchzuführen. Sie können flexibel im Rahmen der kommunalen Jugendbeteiligung, aber auch von Schulen, Vereinen oder Kirchen eingesetzt werden.
Viele Kommunen haben bereits auf kommunaler Ebene einen Jugendgemeinderat, in dem sich Jugendliche einbringen und Demokratie erleben können. Allerdings fällt es gerade in kleinen Kommunen oft schwer, diese Jugendparlamente zu gründen und aufrecht zu erhalten. Die Landkreisebene könnte hier einen Bündelungseffekt erzielen und Jugendparlamente auch in regional größeren Zusammenschlüssen ermöglichen. Im Rahmen des Projekts „Beteiligung wo wir zu Hause sind“ unterstützt der Dachverband der Jugendgemeinderäte Baden-Württemberg e.V. daher die Gründung des neuen Jugendkreisrats im Landkreis Konstanz.
Im Rahmen eines Seminarkurses zum Thema ‚Stärkung des Ländlichen Raumes‘ wird nicht nur die Schulform der Agrarwissenschaftlichen Gymnasien besonders gestärkt, sondern auch der Ländliche Raum als Themenkomplex im Unterricht verankert. Die Schülerinnen und Schüler an den Agrarwissenschaftlichen Gymnasien werden durch den Seminarkurs motiviert, sich intensiv mit den verschiedensten Themengebieten des Ländlichen Raumes zu beschäftigen. Über ein jährlich stattfindendes Fachforum der Agrarwissenschaftlichen Gymnasien haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit sich zu vernetzen und zu den Seminarkursthemen auszutauschen.
Pressemitteilung zum Tag der Agrarwissenschaftlichen Gymnasien 2022
Durch das Projekt soll eine Verankerung der landwirtschaftlichen Bildung im Spektrum des Bildungsangebots Pädagogischer Hochschulen in Baden-Württemberg erprobt werden. Lehramtsstudierenden wird hierbei die Möglichkeit geboten, landwirtschaftliche Themenfelder in Theorie und Praxis kennenzulernen. Die von ihnen im Rahmen des Projekts erworbenen Kompetenzen, Kenntnisse und Erfahrungen bringen sie in ihrer zukünftigen Arbeit als Lehrkräfte ein. So haben Schülerinnen und Schüler nicht nur am außerschulischen Lernort Bauernhof, sondern das ganze Schuljahr über in ihrer Lehrkraft eine kompetente Ansprechperson zu den Themenbereichen Landwirtschaft, Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung, sowie Ernährung. Darüber hinaus wird ein realistisches Bild der heutigen landwirtschaftlichen Betriebe, ihrer vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen und der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die gemeinsame Gestaltung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft über die Schülerinnen und Schülern in die Familien transportiert.