Expertise

KreativLand Baden-Württemberg

Herren im Anzug mit bunten Socken

Die zunehmende Bedeutung der Branche Kultur- und Kreativwirtschaft wurde bereits mit jüngstem Bericht der Landesregierung zur Kultur- und Kreativwirtschaft 2023 bestätigt. Bisher lagen jedoch keine Kennzahlen für die Kreativbranche mit ihren Teilmärkten Architektur, Design, Software/Games, Musik, Film und Rundfunk, Kunstmarkt und Darstellende Künste sowie Presse, Buch und Werbung in ländlichen Räumen vor. Diese Datenlücke kann die nun vorliegende, bundesweit erstmalige Expertise schließen. Sie legt konkrete Daten für die Kreativbranche in ländlichen Räumen und Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung der Branche vor.

Die Ergebnisse zeigen, dass in Baden-Württemberg und seinen ländlichen Räumen die Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihrer hohen Wandlungs- und Innovationsfähigkeit zu den Grundpfeilern des wirtschaftlichen Erfolgs des Landes gehört.

Nun gilt es, diese Potenziale und die Branche sichtbar zu machen und die Empfehlungen der Studie zu nutzen. So wird das Thema Kultur- und Kreativwirtschaft in ländlichen Räumen im Fokus einer Veranstaltung am 21.11.2024 im Kulturbahnhof Aalen stehen. Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, die Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg und die MFG Baden-Württemberg vertiefen im Rahmen einer Tagesveranstaltung die Themenbereiche, Praxisbeispiele und Fragenstellungen der Expertise KreativLand BW.

Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat im Zeitraumen vom 01.10.2022 bis 31.03.2024 das Modellprojekt „Expertise KreativLand Baden-Württemberg – Potenziale und Chancen der Kultur- und Kreativwirtschaft für den Ländlichen Raum " in Auftrag gegeben. Die MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg hat erstmals Kennzahlen erhoben, ausgewertet und n einem Dialogprozess Handlungsempfehlungen formuliert. Wissenschaftlicher Partner der MFG Baden-Württemberg ist für das Modellprojekt die Prognos AG.

Hauptergebnisse der Expertise KreativLand BW im Überblick

  1. In Baden-Württemberg sind mehr als 272.600 Gesamterwerbstätige in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig. Rund 27.100 Kreativunternehmen erwirtschaften einen Umsatz in Höhe von 27 Mrd. Euro. Sowohl die Gesamterwerbstätigenzahl als auch das Umsatzvolumen in Baden-Württemberg machen rund 15 Prozent der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft aus. Damit ist Baden-Württemberg ein Top-Standort der Kultur- und Kreativwirtschaft im bundesweiten Vergleich. Hinsichtlich der Umsatzzahlen nimmt Baden-Württemberg den dritten Platz hinter Nordrhein-Westfalen und Bayern ein.
     
  2. Jede bzw. jeder fünfte Kultur- und Kreativschaffende in Baden-Württemberg ist im Ländlichen Raum tätig. Dies entspricht rund 53.000 Gesamterwerbstätigen und 19 Prozent der Gesamterwerbstätigen in der baden-württembergischen Kultur- und Kreativwirtschaft. Dazu zählen im Jahr 2019 rund 7.500 Selbständige, 20.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 8.000 Mini-Selbständige und 17.500 geringfügig Beschäftigte. Damit ist die Kultur- und Kreativbranche ein bedeutender Arbeitgeber im Ländlichen Raum.
     
  3. Im Ländlichen Raum erwirtschafteten rund 6.500 Kreativunternehmen im Jahr 2021 einen Mindestumsatz von 1,91 Mrd. Euro.
     
  4. Im Vergleich mit anderen Branchen im Ländlichen Raum und in Bezug auf die Kernerwerbstätigenzahl ist die Kultur- und Kreativwirtschaft mit 25.700 Kernerwerbstätigen im Ländlichen Raum stärker als die Hotellerie (13.600 Kernerwerbstätige) und Gastronomie (21.800 Kernerwebstätige) und liegt nur leicht hinter dem Fahrzeugbau (31.000).
     
  5. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist im Ländlichen Raum auch eine vielfältige Branche. Während in urbanen und Übergangsräumen in Baden-Württemberg die Software- und Gamesindustrie der dominierende Teilmarkt ist, macht sie im Ländlichen Raum nur ein Drittel der Kernerwerbstätigen aus. Im Ländlichen Raum sind hinsichtlich der Erwerbstätigenzahlen der Architekturmarkt (18 %), der Pressemarkt (14 %), die Designwirtschaft (12 %) und der Werbemarkt (11 %) starke Teilmärkte. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist in allen 18 Landkreisen im Ländlichen Raum vertreten. Regionale Schwerpunkte von Kultur- und Kreativunternehmen liegen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, Ortenaukreis, Ostalbkreis, Landkreis Ravensburg, Landkreis Schwäbisch Hall, Schwarzwald-Baar-Kreis und Landkreis Tuttlingen. Hier ist die Kultur- und Kreativwirtschaft bezogen auf Erwerbstätige und Umsatz besonders stark.
     
  6. Der Ländliche Raum bietet für Kultur- und Kreativunternehmen Potenziale und Chancen. Umgekehrt profitiert der Ländliche Raum stark von seiner Kultur- und Kreativwirtschaft. Kreativschaffende identifizieren sich mit ihrer Heimatregion und haben großes Interesse daran, die Region zu gestalten. Eine stärkere Wahrnehmung der Potenziale dieser ortstreuen Branche kann für die Regionalentwicklung genutzt werden.
     
  7. Der Ländliche Raum ist als Arbeits- und Lebensraum für Kultur- und Kreativschaffende attraktiv. Eine hohe Lebens- und Freizeitqualität, niedrige Lebenshaltungskosten, die Nähe zur Natur und vor allem große Gestaltungspotenziale und Freiräume machen den Ländlichen Raum für Kreative interessant. Sie nutzen diese Möglichkeiten zur Um- und Nachnutzung von alten Gebäuden und Denkmälern, zur (digitalen) Neuinterpretation von Naturregionen wie dem Schwarzwald und zur kulturellen Belebung lokaler Traditionen und gesellschaftlicher Werte. Diese kreativen Aktivitäten sind für Gemeinden und Regionen von großer Bedeutung.
     
  8. Ein besonderes Potenzial stellt die Innovations- und Transformationskraft der Kultur- und Kreativwirtschaft für den Ländlichen Raum dar. Sowohl mittelständische Unternehmen der klassischen Wirtschaftsbranchen als auch Kultureinrichtungen benötigen (digitale) Kreativleistungen und Technologien sowie innovative Arbeitsmethoden der Kultur- und Kreativschaffenden. Die soziale Nähe im Ländlichen Raum erleichtert Kreativen den Zugang zum Kunden und umgekehrt. Es bestehen hierbei noch ungenutzte Möglichkeiten zwischen den Kreativunternehmen und dem Mittelstand in den Regionen.
     
  9. Die Gewinnung von Fachkräften ist eine große Herausforderung für Kultur- und Kreativunternehmen in ländlichen Räumen. Hier stellen die räumliche Nähe und regionale Synergien zu Hochschulen und Ausbildungseinrichtungen im Land ein noch bisher wenig genutztes Potenzial dar.
     
  10. Ländliche Räume Baden-Württembergs heben sich von anderen Ländern durch eine starke Wirtschaftskraft des produzierenden Gewerbes und Mittelstands ab. Das Potenzial der Kultur- und Kreativunternehmen als Innovationstreiber für die digitale und wirtschaftliche Transformation sollte im Ländlichen Raum noch stärker genutzt werden. Dafür gilt es, eine branchenübergreifende Vernetzung von Kreativwirtschaft und anderen Branchen im Ländlichen Raum zu forcieren.
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