Die Landesregierung setzt sich für die Ernährungsbildung und –information von der Kindheit bis ins hohe Alter ein, sichert eine gute Außer-Haus-Verpflegung und fördert gleichzeitig die regionale Wertschöpfung. Ausgehend von den aktuellen Herausforderungen im Bereich Ernährung sind in der Ernährungsstrategie Baden-Württemberg neun Leitsätze formuliert.
Dabei geht es z. B. um Ernährungsbildung, Gemeinschaftsverpflegung und die Berücksichtigung von gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Folgen unserer Ernährung. Über die Verankerung des Querschnittsthemas „Ernährung“ in allen betroffenen Politikfeldern (wie z. B. in der Bildungspolitik sowie in der Familien-, Umwelt- und Sozialpolitik) soll eine Verbesserung der Ernährungssituation der Menschen in Baden-Württemberg erreicht werden.
Die Leitsätze sind die Grundlage für die Umsetzung der Ernährungsstrategie, die in einem Beteiligungsprozess unter Einbeziehung der Verwaltung und der gesellschaftlichen Akteure konkretisiert werden. Dabei kommt dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die zentrale Koordinierungsrolle zu. Zur Unterstützung wurde das „Landeszentrum für Ernährung“ (LErn) eingerichtet.
Im Oktober 2022 wurde die Weiterentwicklung und Aktualisierung der Ernährungsstrategie beschlossen.
Ernährungsinformation und –bildung soll die Bürgerinnen und Bürger ihr ganzes Leben lang begleiten – von den Familienzentren über Kitas und Schulen, im beruflichen Alltag bis ins hohe Alter.
Dafür bedarf es zweier Voraussetzungen. Ernährungsbildung muss erstens qualitätsgesichert auf der Basis gemeinsamer Festlegungen und Werte durchgeführt werden. Ein Beispiel ist der Bildungsplan 2016, in dem die Ernährung z. B. im Fach Biologie oder im Wahlpflichtfach „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ in der Sekundarstufe I und in verschiedenen Leitperspektiven verankert ist. Auch eine Aufnahme in Schulcurricula oder in Kitakonzeptionen (z. B. für das BeKi-Zertifikat) wirkt fördernd. In der 3. Klasse der Grundschule kann landesweit der Ernährungsführerschein durchgeführt werden.
Zweitens muss gewährleistet sein, dass die Beziehungs- und Kontaktpersonen, wie beispielsweise pädagogische Fachkräfte oder Pflegepersonal, zur Vermittlung von Ernährungsinhalten und der Gestaltung der Essenssituation befähigt sind. Dies kann durch die Berücksichtigung von entsprechenden Inhalten in der Ausbildung und im Studium erfolgen. In der Ausbildung von Kitafachkräften geht Baden-Württemberg seit 2020 mit dem Pilotprojekt „Stärkung des Themenbereichs Ernährung in der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik“ (STErnE) voran.
Der Ernährungsführerschein für die Grundschulen in Baden-Württemberg
Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen eine Grundlage für eine bewusste und verantwortungsvolle Kaufentscheidung. Dafür stehen beim Einkauf von Lebensmitteln eine Vielzahl an Entscheidungshilfen zur Verfügung (z. B. Qualitätszeichen Baden-Württemberg, verschiedene Bio-Siegel, Fair-Trade-Kennzeichnung, Gentechnik-frei-Kennzeichnung). Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. bietet Orientierung, indem sie über die Kennzeichnung und deren Glaubwürdigkeit informiert.
Ein weiteres Beispielprojekt ist die Ausbildung von Schülermentorinnen und Schülermentoren für nachhaltige Ernährung.
Schülermentorenprogramm "Nachhaltig essen"
Informationsportal nachhaltiger Konsum der Verbraucherzentrale
Die Regionalkampagne „Natürlich. VON DAHEIM“ soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern regionale und ökologische Lebensmittel aus Baden-Württemberg näherbringen und für sie erlebbar machen. Somit wird erkennbar, wie viel Arbeit entlang der Wertschöpfungskette sowie Mehrwert und Genuss darin stecken.
Mit der Landesaktion „Gläserne Produktion“ wird die Transparenz der Produktionsprozesse gefördert. Das vielfältige Angebot und die Leistungsfähigkeit der baden-württembergischen Land- und Ernährungswirtschaft wird so erlebbar. Das gilt auch für Jugendliche mit dem Projekt "Lernort Bauernhof in Baden-Württemberg". Hier erhalten Schulklassen und Jugendgruppen wertvolle Einblicke in die landwirtschaftliche Produktion.
Die steigende Nachfrage nach ökologisch erzeugten Lebensmitteln soll künftig noch mehr aus regionaler Erzeugung gedeckt werden. Mit den „Bio-Musterregionen Baden-Württemberg“ wird das Bewusstsein für ökologischen Landbau und Ökolebensmittel bei den Menschen in den Regionen und bei den politisch verantwortlichen Gremien gestärkt. Außerdem sollen weitere Vermarktungswege erschlossen und Wertschöpfungsnetze verfeinert werden.
Regionalkampagne „Natürlich. VON DAHEIM“
Lebensmittelretter kann jeder sein! Ein zentraler Baustein der nachhaltigen Ernährung ist die Wertschätzung für Lebensmittel und die Reduzierung vermeidbarer Lebensmittelabfälle. Noch genießbare Lebensmittel werden häufig weggeworfen, sowohl von privaten Haushalten und Betrieben der Gemeinschaftsverpflegung, als auch entlang der Produktion und Verarbeitung sowie im Handel. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind groß, mit Kosten für die Gesellschaft verbunden und ethisch nicht vertretbar. Gleichzeitig sind bestimmte hygienerechtliche Vorschriften zum Schutz der Gesundheit notwendig.
Ein aktives Handeln aller Akteurinnen und Akteure ist auch im Hinblick auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen und die Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten, bis 2030 die weltweite Lebensmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren, gefragt.
Baden-Württemberg leistet über einen Maßnahmenplan dazu einen Beitrag und geht diese Herausforderung aktiv an. Das Thema Vermeidung von Lebensmittelverschwendung wird an die Öffentlichkeit gebracht und ein Bewusstsein für Lebensmittel und ihren Wert geschaffen.
Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung
Themenseite Lebensmittelretter – neue Helden braucht das Land
Im „Gesundheitsleitbild Baden-Württemberg“ steht die Gesunderhaltung der Menschen im Mittelpunkt. Gesundheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und soll in allen Politikbereichen verankert sein. Maßnahmen, die eine von Verantwortung geprägte Ernährung fördern, sind ein wichtiger Bestandteil.
Die verbindlichen Strukturen, die in Baden-Württemberg durch das Landesgesundheitsgesetz und die Landesrahmenvereinbarung zum Präventionsgesetz geschaffen wurden, bieten für die Gesundheitsförderung sehr gute Voraussetzungen. Zentrale Lebenswelten für die Gesundheitsförderung sind Kita und Schule sowie das betriebliche Gesundheitsmanagement. Auf Landkreisebene streben wir an, im Rahmen der Kommunalen Gesundheitskonferenzen die ausgewogene Ernährung ausgewählter Zielgruppen regelmäßig zu thematisieren.
Zukünftig sollen noch stärkere Bezüge zwischen Gesundheit, Umwelt/Klima und Ernährung hergestellt und gute Beispiele in Baden-Württemberg identifiziert und bekannt gemacht werden.
Baden-Württemberg will seine Potenziale im Bereich ausgewogene Ernährung, regionale Wertschöpfung und ökologische Produktion ausschöpfen. Hier soll der Einsatz von beispielsweise regional, ökologisch und nachhaltig erzeugten Lebensmittel in öffentlichen Kantinen - unter Wahrung der Grundsätze des Vergaberechts - etabliert werden. Das Land sieht sich bei der Umsetzung der Ernährungsstrategie in verschiedenen Bereichen als Vorbild in der Pflicht:
- bei der Gemeinschaftsverpflegung,
- im betrieblichen Gesundheitsmanagement und
- beim Angebot bei Tagungen und Besprechungen.
Als großer Arbeitgeber und Betreiber zahlreicher Kantinen und Mensen kann die Landesverwaltung im Bereich regional und bio-regional erzeugter, fair gehandelter, frischer und gentechnik-freier Lebensmittel eine Vorbildfunktion für die Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebenswelten einnehmen.
Modellprojekt „Gutes Essen in Landeseinrichtungen“
Modellprojekt „Gutes Essen in Landeskantinen“
Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) (pdf)
Qualitätsvolle Angebote in der Gemeinschaftsverpflegung stellen einen wichtigen Ansatzpunkt für eine wirksame Verhältnisprävention in der Ernährungspolitik des Landes dar. Nicht nur in den Lebenswelten Kita und Schule hat die Gemeinschaftsverpflegung an Bedeutung gewonnen. Viele Menschen nutzen auch die vielfältigen Verpflegungsangebote der Betriebsgastronomie sowie der Klinik- und Heimverpflegung. Sie legen dabei immer mehr Wert auf Qualität und Aspekte wie Regionalität, Saisonalität und ökologische Erzeugung. Regionale Lieferketten und digitalisierte Prozesse spielen daher für die Anbieter eine wichtige Rolle.
Es werden Pilotprojekte mit weiteren Betrieben der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft (z. B. „Schmeck den Süden" in der Gemeinschaftsverpflegung), Kliniken und Mensen durchgeführt. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Essen in Senioreneinrichtungen.
Dem ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Landesregierung zufolge sind auch in Baden-Württemberg 14,7 % der Bevölkerung von relativer Einkommensarmut betroffen. Der Wert hat sich seit Veröffentlichung des Berichts auf 16,4 % erhöht. 2021 konnte sich ein Zehntel der Bevölkerung in Baden-Württemberg (10,1 %) nicht jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Geflügel oder Fisch oder eine hochwertige vegetarische Mahlzeit leisten. Armutsgefährdete Personen sind überdurchschnittlich ernährungsarm (Baden-Württemberg: 25,4 %, Deutschland: 22,5 %).
Entwicklungsrisiken wie ungesunde Ernährung, Übergewicht oder Verhaltensauffälligkeiten treten bei sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen häufiger auf. Eine soziallagenbezogene Gesundheitsförderung kann helfen, gesundheitliche Ungleichheiten abzubauen. Diese findet zu allererst in den Lebenswelten wie Kitas und Schulen statt. Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat zudem mit „Fit im Alltag“ ein Workshop-Konzept entwickelt und getestet, das nun etabliert und verstetigt werden soll. Die Umsetzung des Konzepts „Fit im Alltag“ erfordert eine gute Zusammenarbeit mit Partnern der Gesundheitsförderung und sozialen Arbeit vor Ort, die Zugangswege zu den Zielgruppen bieten.
GesellschaftsReport BW 1 – 2023: Armut als Ernährungsrisiko in Baden-Württemberg
„Starke Kinder – chancenreich“ - Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut in Baden-Württemberg
Es gibt viele Möglichkeiten für eine ausgewogene Ernährung, die zum eigenen Lebensstil passt. Die Grundprinzipien der Küche für eine nachhaltigere Ernährungsweise bleiben aber dieselben: mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Getreide und Nüsse, möglichst unverarbeitet, frisch und abwechslungsreich verwendet. Frische aus der Region ist gleichbedeutend mit einem saisonalen Ansatz und der Wiederentdeckung heimischer Vielfalt im Angebot von Lebensmitteln. Gewürze eröffnen zusätzliche Geschmackswelten und schaffen Abwechslung, aber auch Identifikation mit verschiedenen ethnischen Küchen.
Zusammen mit vielen Partnern in Baden-Württemberg, wie z. B. der Naturparkkochschule und dem Lernort Bauernhof, bestehen viele Möglichkeiten, praktische Kompetenzen von klein auf zu sammeln, sowie für Erlebnisse in Gemeinschaft.