Umwelt

Streuobstwiesen zentrales Element zum Erhalt der biologischen Vielfalt in baden-württembergischer Kulturlandschaft

"Unser Ziel muss es sein, die Erde für die kommenden Generationen so vielseitig und artenreich wie nur möglich zu hinterlassen. Baden-Württemberg ist geprägt von einer vielgestaltigen Kulturlandschaft mit einer hohen Diversität an Arten und Biotopen. Erst die Kultivierung der Landschaften durch den Menschen und vor allem durch die Landwirtschaft hat maßgeblich zur Entstehung dieser zahlreichen Lebensräume, und damit in den vergangenen Jahrhunderten zu einer deutlichen Zunahme der Arten geführt", sagte der baden-württembergische Minister für Ernährung und Ländlichen Raum, Peter Hauk MdL, am Mittwoch (21. Mai) in Stuttgart.

"Mit einer Fläche von über 100.000 Hektar spielen die Streuobstwiesen eine zentrale Rolle beim Erhalt der biologischen Vielfalt in der baden-württembergischen Kulturlandschaft. Um diesen Lebensbereich für zahlreich Arten positiv zu entwickeln, erstellt Baden-Württemberg derzeit einen 'Aktionsplan Streuobst' in dem zunächst eine qualitative und quantitative Erhebung der vorhandenen Flächen und Baumbeständen in Auftrag gegeben wird", erklärte Hauk . Durch eine Vielfalt von Fördermaßnahmen mit dem Focus auf Obstgartenbesitzer, Landwirte und Kommunen unterstützt Baden-Württemberg den Erhalt und die Pflege. Große Projekte in diesem Zusammenhang sind das Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleichsprogramms (MEKA), die Landschaftspflegerichtlinie und die Marktstrukturförderung. Ein wichtiger Baustein in der Streuobstpflege ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Hierzu gehört die Ausbildung von Fachwarten und Obstbaumpflegern des Landesverbandes für Obstbau, Garten und Landschaft. Letztendlich kann allerdings nur die Vermarktung des Saftes die Streuobstwiesen retten, deshalb arbeiten wir an einer Streuobstinitiative. Als erste Maßnahme sollen noch in diesem Jahr private Safterzeuger durch die finanzielle Förderung mobiler Saftpressen und Abfüllanlagen unterstützt werden.

Ebenfalls beratend fungiert der 'Runde Tisch Streuobst' der seit zwei Jahren aktuelle Informationen und Projekte austauscht. Aktuell ausgelobt wurde der Jugendwettbewerb unter dem Motto 'Mein Freund der Baum – ich tu was'.

"Biodiversität ist mehr als nur Artenvielfalt. In Baden-Württemberg kann man sie nicht nur sehen und hören, sie schmeckt vor allem auch. Allein die Auswahl an heimischen Produkten ist bei uns beeindruckend", so der Minister. Um diese zu erhalten, sei die Pflege von Streuobstwiesen, die Erhaltung landwirtschaftlicher Ackerflächen und die Bewirtschaftung von artenreichen Grünlandflächen unverzichtbar. Magerrasen, Wiesen, Waldsäume, Feldraine, Feldgehölze, Hecken zählen zu den vom Menschen geschaffenen Lebensräumen und Landschaftselementen. "Sie bieten einer Vielzahl von Arten wie dem Halsbandschnäpper, dem Steinkauz, dem Wendehals aber auch Pflanzen wie Margariten, Salbei und Lichtnelken den idealen Lebensraum", erklärte Minister Hauk . Nur die landwirtschaftliche Nutzung könne die Artenvielfalt und die vielseitige Kulturlandschaft in Baden-Württemberg beziehungsweise ganz Deutschlands gewährleisten.

Gezielte Projekte zum Erhalt der Artenvielfalt

Aktuell wachse allerdings der Druck auf die verbliebenen landwirtschaftlich genutzten Flächen durch den weltweit steigenden Bedarf an Nahrungs- und Futtermitteln erheblich. Aus diesem Grund investiert Baden-Württemberg im Rahmen des MEKA für Projekte im Bezug auf den Erhalt der Artenvielfalt jährlich 85 Millionen Euro. In gezielten Projekten werden die Stärken des Landes erhalten. So liegt ein Schwerpunkt im Erhalt der Grünlandflächen (Wiesenmeisterschaft), auf der Zucht landwirtschaftlicher Nutztierrassen, wie beispielsweise dem Altwürttemberger Pferd, dem Hinterwälder Rind oder dem Schwäbisch Hällischen Landschwein, die Aktion lebendiger Weinberg, Naturschutzorientierte Regionalentwicklung im Rahmen von P LENUM, Ökologische Ressourcenanalyse und dem jüngst ausgewiesenen Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Allein die komplette Umsetzung der FFH-Richtlinie der Europäischen Union umfasst in Baden-Württemberg 260 FFH-Gebiete und 90 Vogelschutzgebiete auf einer Fläche, die 17 Prozent der Landesfläche ausmache.

Zwei zentrale Instrumente, um den Schutz der biologischen Vielfalt gemeinsam mit den Landwirten umzusetzen, ist der Vertragsnaturschutz mit der Landschaftspflegerichtlinie zur zielgenauen Umsetzung bestimmter Bewirtschaftungsvorgaben und der Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich, der ebenfalls zum Erhalt und der Erhöhung der Artenvielfalt beiträgt. Beispielhaft genannt sei die Bewirtschaftung von artenreichen Grünlandflächen zur Erhaltung der pflanzengenetisch wertvollen Grünlandvegetationen. Bei der Ausgestaltung dieser Maßnahme mit ihrem zielorientierten Ansatz ist Baden-Württemberg Vorreiter und Wegbereiter auf Bundesebene und EU-Ebene.

Landwirtschaft und Biodiversität gehen nur miteinander

"Fast alle diese Maßnahmen sind letztlich nur zusammen mit den Landwirten und der Landwirtschaft möglich. Landwirtschaft und Biodiversität und insbesondere Agrobiodiversität gehen nur miteinander. Ziel muss daher eine nachhaltige Landbewirtschaftung auch im ökonomischen Sinne sein, denn nur dadurch können auch die Anforderungen der Biodiversität auf Dauer gewährleistet werden.

Ferner müssten ökosoziale Standards, im Sinne einer Nachhaltigkeitsstrategie dringend weltweit etabliert und daher in die WTO-Verhandlungen eingeführt werden. "Biologische Vielfalt ist eine Grundlage unseres Lebens. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist eine zentrale Herausforderung für die ganze Menschheit", erklärte Agrarminister Hauk . "Ziel muss eine nachhaltige Landbewirtschaftung auch im ökonomischen Sinne sein, denn nur dadurch können auch die Anforderungen der Biodiversität gewährleistet sein", sagte Hauk .

Baden-Württemberg strebt daher weiterhin flächendeckend eine dauerhaft umweltgerechte Nutzung von Natur und Landschaft auch außerhalb von Schutzgebieten an. Das Land setzt dabei jedoch nicht auf eine noch stärkere Reglementierung der Landwirtschaft, sondern auf Angebote beispielsweise im MEKA und in der Landschaftspflegerichtlinie, sich freiwillig zu Umwelt- und Naturschutzleistungen gegen Ausgleichszahlung zu verpflichten. "Den Artenrückgang zu stoppen, kann nur erreicht werden, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam an einem Strang ziehen. Hier steht auch die Landwirtschaft voll zu ihrer Verantwortung. Angesichts der veränderten Weltmärkte müssen die Forderungen des Artenschutzes an die Landwirtschaft aber glaubwürdig und akzeptabel bleiben", so Peter Hauk .

Hauk forderte von den Teilnehmern der 9. Vertragsstaatenkonferenz eine ernsthafte Diskussion des Themas Biodiversität in der Landwirtschaft. "Wer Lösungen für globale Nahrungsmittelknappheit sucht, muss bei einer artenverträglichen Landbewirtschaftung anfangen", empfahl Minister Hauk .

Zusatzinformationen

In Bonn findet aktuell die 9. Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt statt

Um den dramatischen weltweiten Artenschwund aufzuhalten, wurde 1992 auf dem Umweltgipfel der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro das Übereinkommen über die biologische Vielfalt verabschiedet (engl. Convention on Biological Diversity , CBD ). Mit diesem Übereinkommen wird erstmalig der Schutz der biologischen Vielfalt als ein gemeinsames Interesse der gesamten Menschheit anerkannt.

Im Mai 2008 findet in Bonn die 9. Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt statt. Zu diesem politischen Großereignis werden 5.000 Teilnehmer aus 190 Vertragsstaaten erwartet. Ein Ziel der Verhandlungen ist es, die Wirtschaft stärker in die Ziele des Übereinkommens einzubinden. Aus diesem Grund wurde im Vorfeld mit „Business & Biodiversity “ im Februar die erste internationale Unternehmensinitiative gegründet, bei der sich international führende Unternehmen aus verschiedenen Branchen zu ihrer Verantwortung für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt bekennen.

Biologische Vielfalt = Biodiversität

Biologische Vielfalt oder auch Biodiversität – bezeichnet die Vielfalt allen Lebens. Die Vielfalt an Arten, die Vielfalt an Lebensräumen, aber auch die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Kein Lebewesen existiert alleine, alle sind sie über mannigfaltige Wechselbeziehungen untereinander und mit ihrer Umwelt verknüpft und bilden ein einzigartiges Netz des Lebens. Rund zwei Millionen Arten sind bekannt [Quelle: Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP)]. Es ist aber davon auszugehen, dass dies nur ein Bruchteil der tatsächlich vorkommenden Arten ist. Nach Schätzungen von Experten ist von rund 14 Millionen Arten auszugehen.

Doch diese Vielfalt ist in Gefahr. Die Geschwindigkeit, mit der heute Arten aussterben, ist alarmierend hoch. Wissenschaftliche Schätzungen gehen von 10.000 bis 25.000 Arten aus, die jährlich aussterben, das entspricht ein bis drei Arten pro Stunde. Auch zahlreiche Ökosysteme sind in Gefahr. In Deutschland leben 40.000 bis 50.000 Tierarten und circa 20.000 Pflanzenarten, davon sind auch rund 75 Prozent in Baden-Württemberg beheimatet. 30 bis 40 Prozent der baden-württembergischen Flora und Fauna sind als gefährdet einzustufen.

Baden-Württemberg arbeitet mit Partnern und Landesanstalten für den Erhalt der Arten

Am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum ( LTZ ) Augustenberg , Außenstelle Forchheim beschäftigt man sich bereits seit 1994 mit dem Anbau sogenannter 'Neuer Nahrungspflanzen'. Zu diesen zählen beispielsweise die Pseudocerealien wie Amaranth und Quinoa , aber auch Hirse, Blaumohn und Topinambur . Das LTZ Augustenberg beteiligt sich ferner zur Zeit an einem Forschungsprojekt der EU über die Biodiversität . Ziel der vorgesehenen Arbeiten ist, die Gemeinsamkeiten zwischen ökologischen, extensiven und „ low-input “ Landbausystemen auszuarbeiten und daraus Indikatoren für die Biodiversität abzuleiten.

In der Obstsortenerhaltungszentrale in Bavendorf (Landkreis Ravensburg) wurden über 1.000 Obstsorten zusammengetragen. Für die Bürger in Baden-Württemberg bietet das Streuobstkompetenzzentrum die individuelle Sortenbestimmung an. Edelreiser besonderer Sorten können in Bavendorf bezogen werden.

Bei der Landessaatzuchtanstalt in Hohenheim liegt u.a . ein Schwerpunkt in der Bearbeitung der insbesondere auch im Ökologischen Anbau gefragten Spelzweizenarten Einkorn und Emmer . Die Anstalt ist an einem von der Gemeinschaft zur Förderung der privaten deutschen Pflanzenzüchtung e. V. (GFP) iniziiertem Kooperationsprojekt: „Sortenzüchtung von Einkorn und Emmer “ beteiligt.

Weitere Informationen

  • Jugendwettbewerb 'Mein Freund der Baum – ich tu was' sind unter www.mlr.baden-wuerttemberg abrufbar
  • Aktionsplan Biologische Vielfalt Baden-Württemberg www.aktionsplan-biologische-vielfalt.de

Dem Verlust an Agrobiodiversität entgegenwirken - Landtagsdrucksache 14/2123

Quelle:

Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum