Streuobst

Tagung "Streuobst schafft regionale Identität – Kommunale Ansätze für Baden-Württemberg" in Urbach

"Eine Streuobstwiese erfüllt nicht nur die Funktion der Obstproduktion. Die vielfältigen ökologischen Funktionen dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Ein Obstbaum kann sich nur durch die menschliche Pflege gesund und gut entwickeln und so zu einem landschaftsprägenden Element werden. Streuobstwiesen zählen zu den vielfältigsten Kulturlandschaften", sagte die Staatssekretärin im Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum, Friedlinde Gurr-Hirsch MdL, auf der Tagung "Streuobst schafft regionale Identität – Kommunale Ansätze für Baden-Württemberg" am Donnerstag (17. April) in Urbach (Rems-Murr-Kreis).

Streuobstwiesen prägen und strukturieren durch ihre räumliche Wirkung die Landschaft, setzen Akzente und zeichnen Konturen nach. Die Anordnung der Bäume als Solitär oder im Gruppenverband und die charakteristischen Wuchsformen, die variierenden Blüten-, Laub- und Fruchtfärbungen bereichern die Orts- und Landschaftsbilder in der Region. Mit dieser Vielfalt eng verbunden sei die Erholungswirkung der Streuobstbestände.

"Die Streuobstwiesen haben vielfältig ausgleichende Wirkungen auf das lokale Klima. Große Bäume spenden Schatten für Mensch und Tier und bieten Schutz bei überraschenden Regenschauern. Die Bäume bremsen den Wind, filtern zumindest einen Teil der Verunreinigungen aus der Luft, verhindern aber nicht den Luftaustausch der wichtig ist", erläuterte die Staatssekretärin. Somit seien Streuobstwiesen ausgesprochene Frischluftproduzenten. Das Wurzelwerk der Bäume verhindere die Erosion insbesondere in Hanglagen. Damit werde auch die Verlagerung von Nährstoffen in tiefere Bodenschichten und damit deren Eintrag und Anreicherung in Gewässern reduziert. Die Bewirtschaftung der Flächen erfolge sehr umweltschonend ohne belastende Einträge.

Besonders großflächige gut vernetzte Streuobstwiesen bieten einer Vielzahl von Tieren und Pflanzen Lebensräume. Streuobstbestände gehören zu den artenreichsten Biotopen. Bis zu 3.000 verschiedene Tierarten könnten in gut entwickelten und gepflegten Beständen beobachtet werden.

"Die große Vielfalt an alten, oft nur lokal vorkommenden Obstsorten, die sich teilweise als sehr robust erwiesen haben, stellt ein Genreservoir von vielseitigen Erbanlagen dar. Resistenz gegen die Pilzkrankheiten Schorf und Mehltau sind Eigenschaften, die für die Obstzüchtung eine wichtige Rolle spielen", ergänzte Gurr-Hirsch. Die Obst- Sortenerhaltungszentrale habe schon über 1.000 Obstsorten im Land bestimmt und zusammengetragen.

Streuobstwiesen seien mittlerweile gefährdete Biotope und werden unter anderem durch die Siedlungstätigkeit des Menschen bedroht. Täglich werde in Baden-Württemberg eine Fläche von 9,4 Hektar überbaut. Viele Baumbestände sind überaltert und unzureichend gepflegt. Seit der letzten Streuobstschätzung aus dem Jahr 1990 mit damals etwa 11,4 Millionen Obstbäumen auf einer Fläche von circa 180.000 Hektar sind, nach einer Umfrage unter Fachleuten, rund 40 Prozent weggefallen.

"Der Erhalt von Streuobstflächen wird durch eine Vielfalt lokaler, aber auch landesweiter Aktionen und Fördermaßnahmen direkt und indirekt unterstützt. Das MEKA-Programm des Landes, das die Pflege und Erhaltung von Streuobstwiesen besonders honoriert, förderte in den vergangenen Jahren jährlich rund 30.000 Hektar Streuobstflächen mit rund vier Millionen Euro", betonte Gurr-Hirsch. Weiter engagiere sich die Landesregierung bei der Finanzierung der "Streuobst-Sortenerhaltungszentrale", die beim Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee eingerichtet wurde. Ein ganz wichtiges Projekt sei das Fachgespräch "Runder Tisch Streuobst in Baden-Württemberg". Dabei seien rund 20 Organisationen und Verbände sowie die Landtagsfraktionen beteiligt.

Durch den Jugendwettbewerb unter dem Motto "Mein Freund der Baum – Ich tu was!" soll zusammen mit den Partnern des "Runden Tisches Streuobst" und anderen Interessierten die nachfolgende Generationen auf das Thema Streuobstwiesen aufmerksam gemacht und sie zur Streuobstwiesenpflege motiviert werden. Mit Hilfe von Baumpatenschaften soll Schülern und Jugendlichen die Baumpflege unter fachlicher Anleitung im Bereich der Kulturlandschaft Streuobstbau näher gebracht werden.

Zusatzinformation:

Wiesen oder Weiden, auf denen großkronige Obstbäume locker über die Landschaft verteilt stehen, werden als Streuobstwiesen bezeichnet. Sie sind die traditionelle Form des Erwerbsobstbaus und ermöglichten einst vielen Menschen das oftmals karge Nahrungsangebot mit selbst erzeugten Produkten zu ergänzen.

Diese Obstbäume gehören in vielen Teilen Mitteleuropas und insbesondere in Baden-Württemberg zum vertrauten Bild gewachsener Kulturlandschaften, denen sie einen besonderen Reiz verleihen. Eine besondere Funktion übernehmen sie als Gürtel um die Ortschaften. Aus den Streuobstbeständen des Landes wird immer noch die Hauptmenge für die jährliche Fruchtsaftproduktion geerntet. Die rund 120 Keltereien im Land pressen die Hälfte des in Deutschland insgesamt gepressten Apfelsaftes, insgesamt rund 250 Millionen Liter. Der Apfelsaft ist ein echtes landestypisches Qualitätsprodukt aus dem Obstland Baden-Württemberg.

Quelle:

Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum